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Archiv-Artikel

ULRIKE HERRMANN ÜBER DIE SCHLACHT UM HOCHTIEF Wie deutsch soll es denn sein?

Wieder scheint ein urdeutscher Betrieb von bösen Fremden umzingelt: Die spanische Firma ACS will den Essener Baukonzern Hochtief übernehmen. Ein solches Bedrohungsszenario kann sich offenbar keine Volkspartei entgehen lassen. SPD-Parteichef Sigmar Gabriel forderte prompt, dass die Bundesregierung einschreiten solle – und das Kanzleramt hat ihn sogar erhört. Am Freitag ließ Merkels Sprecher wissen, dass Hochtief ein „Aushängeschild deutscher Technologiekompetenz“ sei und man die Übernahmeschlacht sehr aufmerksam verfolge.

Doch was ist eigentlich deutsch an dem angeblich so deutschen Konzern Hochtief? Zugespitzt ließe sich antworten: nur noch die Konzernzentrale in Essen. Denn der Umsatz wird zu 88,9 Prozent im Ausland erwirtschaftet, wie der Geschäftsbericht 2009 ausweist. Wichtig sind vor allem die USA sowie Asien und Australien. Europa spielt kaum eine Rolle.

So international wie der Umsatz sind auch die Besitzer von Hochtief. Die Aktionäre stammen überwiegend aus dem Ausland, nur ganze 33,8 Prozent sind in Deutschland beheimatet.

Hochtief ist also das Musterbeispiel der totalen Globalisierung. Trotzdem ist es kein Zufall, dass Politik und Bürger glauben, es sei ein Essener Heimatbetrieb. Diese Verwechslung spiegelt einen zweiten, ganz grundsätzlichen Irrtum: Es wird immer geglaubt, Firmen würden Arbeitsplätze schaffen – und dass diese Jobs entfallen, sobald der Besitzer wechselt. Doch tatsächlich entstehen Stellen vor allem durch die Nachfrage. Jobs in der deutschen Bauindustrie gibt es nur, wenn in Deutschland gebaut wird. Die Bauwirtschaft schrumpft jedoch seit Jahren. Dieser Trend lässt sich nicht durch Symbolpolitik in einer Übernahmeschlacht umkehren – sondern der Staat müsste mehr in seine Infrastruktur investieren.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 7