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Archiv-Artikel

ULRIKE HERRMANN ÜBER DIE NEUESTEN ARBEITSMARKTZAHLEN Verbrämte Statistik

Es ist ein monatliches Ritual, das stets viel Aufmerksamkeit findet: die Präsentation der Arbeitsmarktzahlen. Am jetzigen Mittwoch ist es wieder so weit. Die Bundesagentur für Arbeit wird ihre Statistik für Juni vorstellen. Aber was sagen die Zahlen eigentlich? Was bedeutet es, dass im Mai etwa 3,2 Millionen Menschen offiziell arbeitslos waren? Nicht viel.

Wie unvollständig die Zahlen der Bundesagentur sind, führte am Dienstag das Statistische Bundesamt vor, das die Unterbeschäftigung in Deutschland erhebt. Danach würden 8,6 Millionen Menschen zwischen 15 und 74 Jahren gern mehr arbeiten, als sie es derzeit tun. Dazu gehören nicht nur die 3,2 Millionen Erwerbslosen. Hinzu kommen 1,2 Millionen in der „stillen Reserve“, die sich durch Fortbildungen hangeln oder keine Kinderbetreuung finden. Dann gibt es Millionen Teilzeitbeschäftigte, die am liebsten ihre Arbeitszeit aufstocken würden. Auch manche Vollzeitkraft könnte sich Überstunden vorstellen, um den Verdienst aufzubessern.

Es ist nicht trivial, welche Statistik von Politik und Medien beachtet wird. Zählt man nämlich nur die offiziellen Erwerbslosen, dann steht Deutschland unter den 27 EU-Staaten sehr gut da: Zuletzt war es Platz 7, wie die Bundesagentur ausweist. Wird jedoch auch die Unterbeschäftigung berücksichtigt, landet Deutschland plötzlich weit hinten – auf Platz 20.

Arbeit ist ein knappes Gut in Deutschland. Es ist politisch nicht harmlos, dass diese Realität durch die Statistik der Bundesagentur verbrämt wird. Je weniger offiziell Arbeitslose es gibt, desto leichter lässt sich der Mythos verbreiten, dass die Arbeitslosen selbst schuld seien an ihrer Arbeitslosigkeit – und deswegen bestraft gehören, indem sie nur das Existenzminimum, vulgo Hartz IV, erhalten.

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