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Archiv-Artikel

UKRAINE: STAATSANWALT ERMITTELT WEGEN ANSCHLAG AUF JUSCHTSCHENKO Ein neuer giftiger Wahlkampf wäre fatal

Nun ist es amtlich: Der ukrainische Oppositionsführer Wiktor Juschtschenko ist also doch Opfer eines Giftanschlags geworden. Nicht biologische oder chemische Kampfstoffe, wie kurzzeitig vermutet, sollten dem Präsidentschaftskandidaten den Garaus machen, sondern Dioxin, das heimtückisch in eine Suppe gemischt wurde.

Diese Nachricht bestätigt Vermutetes und dürfte bei Juschtschenkos Anhängern nicht viel Aufregung auslösen. Allein das sagt schon viel über die bisherigen Formen politischer Auseinandersetzung in der Ukraine aus. Anschläge auf politische Gegner mit bisweilen tödlichem Ausgang sind – bis jetzt – in diesem Land nichts Ungewöhnliches. Auch dass die Behörden in keinem dieser Fälle einen Täter dingfest machten und strafrechtlich zur Verantwortung zogen, mobilisierte allenfalls einige Menschenrechtler. So ist die Ermordung des regimekritischen Journalisten Georgi Gongadse im Jahre 2000 bis heute nicht aufgeklärt.

Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass der Kiewer Generalstaatsanwalt, anders als seine Vorgänger, den Fall Juschtschenko nicht einfach ad acta legt, sondern jetzt wieder ermittelt. Wenngleich der Ausgang der Bemühungen noch offen ist, böte sich, nach der Annullierung der Präsidentenstichwahl durch das Oberste Gericht, hiermit zumindest eine Chance zu einer weiteren Emanzipation der dritten Gewalt.

Demgegenüber wäre es jedoch fatal, wenn die wieder aufgenommenen Ermittlungen gleichsam zum Fanal für eine Neuauflage des giftigen Wahlkampfs würden. Dann stünde einem Kandidaten Juschtschenko, der seine Opferrolle in zusätzliche Wählerstimmen umzumünzen versuchte, ein Widersacher Janukowitsch gegenüber, der sich nicht entblödete, auch noch einen Eierwerfer zu einer tödlichen Gefahr zu stilisieren. Zumindest Juschtschenko sollte seinen Getreuen ein derart unwürdiges Spektakel ersparen. Ob er sich in dieser Hinsicht als lernfähig erweist, ist jedoch noch offen. Die ukrainische Gesellschaft, die in den vergangenen Wochen demokratisch gereift ist, sollte Verpflichtung genug sein. BARBARA OERTEL