U2-Sänger Bono kritisiert Sarkozy: Frankreich lässt Afrika im Stich
Den Versprechen von Präsident Sarkozy, Afrika Perspektive zu geben, fehlt die Glaubwürdigkeit. Das beweist sich in Gabun und Togo, in Tunesien und Ägypten.
PARIS taz | In einem Meinungsbeitrag in der Zeitung Le Monde äußert sich der entwicklungspolitisch engagierte U2-Sänger Bono enttäuscht über die Afrikapolitik des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Dieser habe seinen markigen Worten über die Millenniumsziele keine Taten folgen lassen.
"Er ist wie ein Boxer, der sich ständig in Bewegung im Ring herumdreht. Das ist faszinierend anzuschauen, ändert aber nichts an den Gegebenheiten." Der "Schattenboxer" in Paris wird sich bedanken für den Vergleich. Hat er sich gleich zu Beginn seines G-20-Vorsitzes für die effektive Finanzierung der Millenniumsversprechen durch eine "innovative" Finanztransaktionssteuer eingesetzt. Er versprach, Afrika eine "starke Priorität" einzuräumen.
In Addis Abeba forderte der französische Präsident als Ehrengast am Gipfel der Organisation der Afrikanischen Einheit von der UNO mehr Gewicht für Afrika. Auch plädierte er erneut für die Einhaltung der Milleniumsversprechen, die Schaffung "innovativer Finanzierungsquellen" und den Kampf gegen die Spekulation auf den Märkten der Agrarprodukte und Rohstoffe. In Afrika wächst der Eindruck, dass sich Frankreich von diesem Kontinent desinteressiert abwendet.
Heißt nach dem Ende der postkolonialen Interessengemeinschaft Françafrique im Élysée-Palast die Losung heute "Out of Africa"? Das gegenseitige Unverständnis wächst. Schon bei bei seinem Antrittsbesuch in Dakar im Juli 2007 hatte Sarkozy viele schockiert mit seinem neokolonialistisch klingenden Urteil: "Afrikas Drama ist, dass der Afrikaner nicht genug in die Geschichte eingetreten ist. Nie geht er auf die Zukunft zu. Nie kommt er auf die Idee, aus der Wiederholung auszutreten, um sich ein Schicksal zu erfinden."
Seither hat Sarkozy zudem bewiesen, dass eher Frankreich in seiner Afrikapolitik erstarrt ist und zur Beibehaltung des Status quo beiträgt, um so seine Interessen zu wahren. Das scheint heute die einzige Konstante in der französischen Afrikapolitik zu sein. Die Elfenbeinküste mit ihrer seit 2002 andauernden Machtkämpfen hat bewiesen, dass Frankreich weder in der Lage noch gewillt ist, wie früher den Gendarm zu spielen in seinem einstigen Hinterhof.
Andererseits zögert Sarkozy nicht, gegen die Terroristen der al-Qaida im islamischen Maghreb Elitetruppen einzusetzen und dabei das Leben von Entführten aufs Spiel zu setzen. Unverändert bleibt dagegen die Tradition, zahlreiche der Korruption und der Unterdrückung der Opposition beschuldigte Herrscher zu unterstützen oder auch - wie in Gabun und Togo - dafür zu sorgen, dass die Macht und die freundschaftlichen Bande mit Paris bruchlos vom Vater auf den Sohn übergehen. Damit verscherzt sich Frankreich, das sich gern als Wiege der Menschenrechte feiert, bei der nach Demokratie strebenden afrikanischen Jugend viele Sympathien.
Natürlich war und ist Frankreich mit seiner stillschweigenden Nachsicht für Diktatoren nicht allein. In der Regel aber verhielt sich Paris vergleichsweise konservativer als die häufig schneller reagierenden USA. Nachdem Paris bereits fast bis zuletzt seinen Freund Ben Ali gehalten hatte, wiederholt sich die Geschichte mit Mubarak.
Sarkozy setzte nicht nur auf die Karte Mubarak, um wieder in der Nahost-Diplomatie mitreden zu können. Dass er 2008 auch bei der Gründung der Mittelmeerunion ausgerechnet auf Mubarak als Eckpfeiler setzte, war bezeichnend für dieses statische, um nicht zu sagen rückwärts schauende Konzept der Diplomatie. Wie schon in Tunis sitzt die französische Außenpolitik in Kairo in der Falle, in der sich der Präsident mit Forderungen an die anderen, nun zu handeln, im Kreise dreht.
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