Typische Terror-Reflexe : KOMMENTAR VON DANIELA WEINGÄRTNER
Der für Innenpolitik und Justiz zuständige EU-Kommissar Franco Frattini unterlag gestern einem für Politiker typischen Reflex: Nach der Katastrophe erst mal ein Gremium gründen. Jedes Land solle eine Kontaktstelle schaffen, die als Anlaufpunkt für Ermittlungsbehörden, Geheimdienste und Polizei der anderen Länder dienen könne, forderte er. Nur so könne die Zusammenarbeit zwischen den Ermittlern der Mitgliedsstaaten verbessert werden.
Es gibt aber in der EU nicht zu wenige Stellen, die sich dem Kampf gegen den Terror widmen, sondern zu viele. Europol hat bereits in jedem Mitgliedsstaat eine zentrale Anlaufstelle, dazu einen nationalen Brückenkopf im eigenen Haus in Den Haag und eine Anti-Terror-Task-Force, in die jedes Land Ermittler seiner Wahl entsenden kann. So soll die Durchlässigkeit zwischen Polizei und Geheimdiensten verbessert werden. Außerdem gibt es Eurodac, Schengen II, SitCen, OLAF – sie alle sammeln Daten zu bestimmten Sachverhalten oder Personengruppen und arbeiten mehr oder weniger eng mit den Mitgliedsstaaten zusammen.
Frattini hat gestern aber noch gedroht, die säumigen Staaten, die mit den anderen nur widerwillig zusammenarbeiten, öffentlich anzuprangern. Das könnte manche Betonköpfe aus der Reserve locken. Kein Land wird sich gern Mitschuld dafür ankreiden lassen, dass Terroristen unbemerkt Sprengstoff transportieren oder Attentäter rekrutieren können, weil wichtige Informationen in einer nationalen Ermittlungsbehörde hängen geblieben sind. Würden alle nationalen Ermittlungsbehörden die bestehenden Möglichkeiten ausschöpfen und ihre Erkenntnisse in die europäischen Datenbanken einfüttern, wäre weit mehr gewonnen, als wenn eine weitere Anlaufstelle den Kompetenz-Wirrwarr nur noch vergrößert.
Frattini will zunächst intern mit den Innenministern der säumigen Länder Kontakt aufnehmen. Zumindest die Zusagen, die nach dem 11. September und nach dem 11. März gemacht worden seien, müssten endlich umgesetzt werden. Doch mit solchem Kleinkram werden sich Minister wohl kaum befassen. Sie müssen schließlich neue Gremien bilden.
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