: Tuten und Blasen
■ Die „Loose Tubes“ begeisterten in der Schauburg
Gut 15 Stunden waren sie unterwegs gewesen, irgendwo bei Dortmund im Stau steckengeblieben, und dann direkt auf die Bühne der Schauburg gestürmt, um ihrem Namen alle Ehre zu erweisen. Die Loose Tubes, britische Bläsergroßformation mit 21 Mitgliedern, bliesen die naßkalte Traurigkeit dieses Dezemberabends im Nu weg.
Die Loose Tubes sind eine Bigband ganz eigenen Zuschnitts, auf der Bühne noch mehr als auf Konserve, entwickeln sie einen anarchischen Spielwitz, benutzen konventionelle Bigbandsounds um sie ironisierend zu umspielen und die standardisierten Formen aufzuheben.
Dienstagabend standen Kompositionen des Keyboarders und Tenorhornisten Django Bates im Zentrum des Programms. Bates zeigte darin eine Vorliebe für die
Vermischung von Latin-oder Salsa-Rhythmen mit einfachen Melodien. Die in dieser Mixtur liegende Gefahr von Gefälligkeit und Glätte wird durch differenzierte, die herkömmlichen Strukturen durchbrechende Bläsersätze aufgehoben. Die 16 Bläser spielten unterschiedliche Linien gegeneinander an oder rieben sich im schrägen Kanon. Darüberhinaus sorgen überraschende Themenwechsel und zusätzliche Stilelemente für unkonventionellen Sound. Bates benutzte im ersten Set sein Keyboard vor allem, um akkordeonmäßige Klänge mit französischem Touch beizusteuern. Zum Tenorhorn griff er leider nur das eine Mal in der Zugabe, blies dann allerdings ein virtuoses Solo.
Ansonsten waren die Soli eher kurz und eng eingebunden, insofern gaben die Loose Tubes dem
kollektiven Sound Vorrang vor solistischen Einzelleistungen. Eine der Ausnahmen davon war das Klarinetten-Solo von Dai Pritchard in seiner Komposition „Pigs Head Sons“. Vor indo -orientalischen Bläserlinien und ebensolchem Rhythmus, vom Perkussionisten Thebe Lipere mit der Talking Drum angereichert, blies Pritchard traurig-fröhliche Töne mit Klezmer-Anklängen.
Im zweiten Set lief die Gruppe zu voller Form auf. Das Publikum in der halbvollen Schauburg war schwer begeistert, und so gaben die Tubes trotz langer Fahrt und verständlicher Müdigkeit noch eine glanzvolle Zugabe: ein schwankendes New -Orleans-Funeral-Intro erweiterte sich zu einem gospeligen Traditional, voll klagender Lebenslust - gelungenes Finale eines gelungenen Auftritts.
Arnaud
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