Turner-Urgestein bei Olympia: „Mein Körper fällt auseinander"
Iordan Iovtchev ist der älteste Turner bei den Spielen. Gegen die Jungspunde hat er keine Chance. Egal, denn er hat etwas anderes im Blick als die Medaillen.
Iordan Iovtchev ist erst 39, aber die grauen Haare und die Falten im Gesicht lassen ihn aussehen wie einen Sechzigjährigen. So fühlt er sich auch: „Ich versuche nur zu überleben. Mein Körper fällt auseinander.“ Sein Trainer Milko Tankouchev hatte Tränen in den Augen, als sich der Bulgare als Achter für das Geräteeinzel im Ringeturnen der Männer qualifiziert hat.
Dennoch, seine Chancen auf Gold liegen quasi bei null. Gegen die Mittzwanziger kommt er nicht an. Einen Weltrekord hat er trotzdem sicher: Iovtchev ist der erste Turner, der sechsmal an den Olympischen Spielen teilnimmt, das erste Mal vor zwanzig Jahren.
Dabei ist er weitaus nicht der älteste Athlet in London. Und nicht nur Iovtchevs Haare glänzen silbergrau: 2004 gewann er Silber an den Ringen, davor dreimal Bronze, auch im Bodenturnen. Das ist vorbei. Jetzt hat Iovtchev eine andere Mission.
Er will den Turnsport in Bulgarien am Leben halten: „Wenn wir einen bulgarischen Turner bei Olympia haben, haben wir auch einen Psychologen, einen Masseur und Mediziner, die auch nach Olympia gehen.“ Diese gebe es sonst nicht. Er sorgt sich um die Angestellten des Turnverbands, denn Iordan Iovtchev ist nicht nur Turner, er ist auch gleichzeitig Präsident des Turnverbandes. Als würde Wolfgang Niersbach auf dem Rasen stehen.
Der Titan ohne Druck
In der Heimat nennen sie ihn „den Titanen.“ Aber Iovtchev will es diesmal ruhig angehen: „Mein Ziel ist es, die Olympischen Spiele ganz ohne Druck zu genießen, wie früher, als ich noch nicht um Medaillen gekämpft habe.“
Dies wird auch seine letzte olympische Teilnahme sein, danach stehen nur noch nationale Wettkämpfe im Programm. Schade, ist er doch sonst für alles zu haben. Zweimal machte er bei der japanischen Gameshow „Ninja Warrior“ mit, einer trashigen Klettershow, in der er künstliche Felsen und Gerüste erklimmen musste.
Während Iovtchev noch immer an den Geräten turnt, sitzen seine Konkurrenten von früher längst als Experten in den TV-Studios. Er freue sich, seine alten Bekannten wiederzusehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen