Tunnelsystem für radioaktiven Abfall: Frankreichs Atommüll-Endlager
In Frankreich gibt es 58 Atomreaktoren. Der dort produzierte radioaktive Müll soll in der Nähe der Kleinstadt Bure gelagert werden. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren.
STRASSBURG afp | Am Mittwoch rollt der letzte Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll aus Frankreich in Richtung Deutschland. Dabei wird er weniger als 40 Kilometer an dem kleinen Ort Bure vorbeifahren, wo in Zukunft alle Abfälle aus den 58 französischen Atomreaktoren landen sollen.
Während Deutschland noch immer nach einer Lösung für die Endlagerung sucht, treibt Frankreich sein Projekt mit Hochdruck voran. Begonnen wurden die Bohrarbeiten in Bure bereits 1994. Sechs Jahre später wurde in rund 500 Metern Tiefe ein "Forschungslabor" eingerichtet - ein etwa 500 Meter langer, 4,5 Meter hoher und 3,5 Meter breiter Tunnel. Hier untersuchen Geologen, Chemiker und Physiker, ob die etwa 130 Meter dicke Lehmschicht für die Einlagerung von hochradioaktiven Abfällen geeignet ist.
Mit Experimenten wurde beispielsweise ermittelt, mit welcher Geschwindigkeit sich radioaktive Elemente in der Lehmschicht fortbewegen, erläutert der Sprecher der französischen Atommüll-Entsorgungsagentur (Andra), Marc-Antoine Martin. Vor allem wurde geprüft, wie die Lehmschicht auf Hitze reagiert.
Die bisherigen Ergebnisse seien ermutigend, versichert Martin. Den Berechnungen zufolge könne Atommüll für eine Dauer von bis zu einer Million Jahre gelagert werden. "Dies ist zehn Mal mehr als vorgeschrieben", betont der Ingenieur. Denn innerhalb von 100.000 Jahren sei die Radioaktivität abgeklungen.
Die Andra schlage daher vor, das Lager bei Bure zu errichten - in in einem Gebiet von rund 30 Quadratkilometern. Der Müll soll demnach über vier Schächte unter Tage gebracht werden, außerdem soll ein fünf Kilometer langer, schräger Tunnel in die Tiefe führen.
200 Kilometer unterirdische Gänge
In dem Endlager sollen den Angaben zufolge mittel- und hochradioaktive Abfälle entsorgt werden, darunter Spaltmaterial aus abgebrannten Kernbrennstäben. Dieses Material werde bei der Aufbereitung der Brennstäbe von dem Uranium und dem Plutonium getrennt und in sogenannten Glaskokillen eingeschweißt, erläutert Martin.
Die Kokillen würden anschließend in 40 Meter langen Metallrohren verpackt. Für die Lagerung dieser Rohre werden Martin zufolge unterirdische Gänge gegraben - nach bisheriger Planung rund 200 Kilometer. "Die Behälter dürfen wegen der ausstrahlenden Wärme nicht zu dicht aneinander gelagert werden".
Nach bisheriger Planung könnte der erste Atommüll ab 2025 in Bure landen. Zuvor ist 2013 eine öffentliche Anhörung geplant. Erst anschließend werde die Andra einen Antrag auf Bau des Endlagers stellen, betont Martin. Die endgültige Entscheidung liege aber bei der Regierung. "Noch ist nichts entschieden". Gegner des Projekts bezweifeln dies freilich.
Einziger Standort in Frankreich
"Das Lager wird in Bure gebaut - oder gar nicht", meint Sophia Majnoni, die bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Frankreich für Atompolitik zuständig ist. Schon in das "Forschungslabor" mit seinen derzeit rund 320 Mitarbeitern seien "Millionen von Euro" investiert worden. Außerdem sei Bure der einzige Standort in Frankreich, der untersucht werde.
"Frankreich braucht das Endlager und wird es hier errichten", glaubt auch der Bürgermeister des naheliegenden Dorfes Bonnet, Jean-Pierre Remmerlé. Mit den bereits investierten Geldern seien Tatsachen geschaffen worden.
Remmerlé gehört zu den wenigen Regionalpolitikern, die sich in der ländlichen ostfranzösischen Gegend gegen das Projekt wehren. Allein für Infrastrukturmaßnahmen - etwa den Bau von extra breiten Zugangsstraßen für den Transport von Castor-Behältern - seien bereits gut 30 Millionen Euro ausgegeben worden, sagt der Bürgermeister.
Diese Summen sind freilich nichts im Vergleich zu dem, was das Endlager, das rund 200 Kilometer von der Grenze zum Saarland entfernt ist, kosten wird. Zunächst war von 15 Milliarden Euro die Rede, doch mittlerweile ließ die Andra wissen, dass neue Sicherheitsnormen die Kosten in die Höhe treiben könnten - auf bis zu 35 Milliarden Euro.
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