Tumulte in Neunburg vorm Wald

Der Erörterungstermin für die Einwendungen gegen die WAA Wackersdorf wurde wenige Stunden nach Beginn unterbrochen / In der völlig überfüllten Halle des Ortes Neunburg vorm Wald sorgt die Inszenierung des „WAA-Erschütterungstermins“ für Empörung  ■  Von G.Rosenkranz & B.Siegler

Neunburg vorm Wald (taz) - Mit ihrem Versuch, 881.000 Einwendungen gegen die WAA-Wackersdorf in der Stadthalle des oberpfälzischen Städtchens Neunburg vorm Wald zu verhandeln, hat die Bayerische Staatsregierung offensichtlich die Grenze des Zumutbaren bei den GegnerInnen des Projekts erreicht. Nachdem das Münchner Umweltministerium durch Verhandlungsleiter Rudolf Mauker gestern zum Beginn der Anhörung alle Anträge zur Verlegung des Termins an einen geeigneteren Ort ablehnen ließ, verwandelten die WAA -GegnerInnen die völlig überfüllte Gemeindehalle am Nachmittag in einen Hexenkessel. Mit Klatschen, Trampeln, Pfeifen, vereinzelt auch mit Tomaten- und Eierwürfen und dem nicht endenden Ruf „Aufhören“ machten die WAA-Gegner ihrer Empörung über die „grenzenlose Arroganz“ der Genehmigungsbehörde Luft. Die Polizei, die sich zuvor sichtlich zurückgehalten hatte, rückte in den Saal ein, um die Verhandlungsleitung gegen ein lebendes, Richtung Podium vorrückendes Spruchband mit der Aufschrift „WAA -Erschütterungstermin“ abzuschirmen. Zuvor hatte WAA-Kläger -Anwalt Wolfgang Baumann den viel zu kleinen Saal als „unzumutbar“ bezeichnet und vorgerechnet, daß die Genehmigungsbehörde sich zur Begutachtung der 880.000 Einwendungen bei einer unterstellten Arbeitszeit rund um die Uhr pro Einspruch gerade sieben Sekunden genommen habe. „Wir machen dieses Possenspiel nicht länger mit“, rief Baumann unter dem Jubel des Saals.

Verhandlungsleiter Mauker begründete die Ablehnung der Verlegungsanträge damit, daß für die Wahl des Ortes „nicht die Zahl der tatsächlichen Einwendungen ausschlaggebend war, sondern die Prognose der Genehmigungsbehörde, wieviel Einwender voraussichtlich teilnehmen werden“. Außerdem gebe es zur Stadthalle in Neunburg keine Alternative. Mauker verwies auf „gewisse Mitwirkungslasten als Kehrseite des Mitwirkungsrechts“, die den Einwendern zugemutet werden könnten.

Trotz der erregten Stimmung in dem nicht nur emotional aufgeheizten Saal - die Temperatur überstieg 35 Grad setzte die Einwenderseite aber offenbar alles daran, nicht das Risiko eines Fortsetzung auf Seite 2

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Abbruchs des Termins durch die Verhandlungsleitung eingehen. Nach zweimaligem Abbruch wegen „Störungen“ kann die Genehmigungsbehörde einen Erörterungstermin entsprechend einer Bestimmung der „atomrechtlichen Verfahrensordnung“ nämlich endgültig abbrechen.

Als Bedingung für ihre weitere Teilnahme an dem immer noch nicht formell eröffneten Termin hatten die Anwälte der WAA -GegnerInnen zunächst den Abzug der Polizei verlangt. Die Beamten wurden daraufhin anfangs aus dem Gesichtsfeld der TeilnehmerInnnen verbannt. Die hinter einer „spanischen Wand“ verborgenen Sondereinsatzkommandos blieben von dieser Maßnahme unbehelligt. Der Greenpeace-Anwalt Christian Sailer aus München stellte schließlich den Antrag, den TÜV Bayern als Gutachter „wegen Befangenheit aus diesem Verfahren zu entlassen“. Der Anwalt bezog sich zur Begründung auf ein von der Staatsanwaltschaft am Landgericht Hanau beschlagnahmtes Schriftstück. Darin sind Absprachen des TÜV Bayern mit der Genehmigungsbehörde, dem Bayerischen Umweltministerium, zum WAA-Erörterungstermin sowie Verhaltensregeln des TÜV enthalten, zum Beispiel „der Behörde nicht zu widersprechen“. Sailer nannte den TÜV eine „konspirative Einrichtung zum Durchdrücken der WAA“. Auch Ministerialdirigent Vogl vom Umweltministerium sollte am weiteren atomrechtlichen Verfahren nicht mehr mitwirken, da er - so Sailer - „die Mauscheleien des TÜVs“ gedeckt habe. Mauker ließen entsprechende Anträge des Anwalts jedoch unberührt. Daraufhin forderte Sailer die anwesenden WAA -GegnerInnen auf, unter diesen Umständen den Saal zu verlassen. Mauker reagierte mit der Unterbrechung der Erörterung bis Mittwoch morgen um 10 Uhr.