Türkiyemspor feiert 30. Geburtstag: Erfolg mit Integrationsanspruch
Trotz vieler Widerstände hat sich Türkiyemspor zu Deutschlands bedeutendstem Migrantenverein entwickelt. An den Erfolg des Fußballklubs will sich zum 30. Geburtstag auch die Politik anhängen.
Wenn ein Fußballverein 30 wird, ist das normalerweise kein besonderes Ereignis. Schon gar nicht, wenn er in der 4. Liga spielt und eigentlich schon ein Jahr älter ist. Doch das am heutigen Freitagabend begangene Jubiläum von Türkiyemspor sollte die gebührende Aufmerksamkeit erhalten. Denn der einst von einer Handvoll türkischer Freizeitkickern als BFC Izmirspor gegründete Kreuzberger Verein ist weit mehr als nur ein Fußballklub.
Die Geschichte Türkiyemspors ging immer auch einher mit Benachteiligungen und Anfeindungen. Im wiedervereinigten Deutschland führte der sportliche Weg die binnen wenigen Jahren zur überregionalen Größe aufgestiegene Mannschaft vornehmlich in die neuen Bundesländer. Dort zog der Migrantenverein Anfang der 90er-Jahre in hässlicher Regelmäßigkeit Horden von Neonazis an, von Hitlergrüßen, rassistischen Gesängen bis hin zu tätlichen Angriffen begleitete Spiele waren keinesfalls die Ausnahme. Als Reaktion beteiligte sich Türkiyemspor an Antirassismuskampagnen. Es war der Auftakt zu einem grundlegenden Wechsel in der Vereinsphilosophie, weg vom reinen Fußballverein hin zu einer fast schon sozialen Institution - was 2007 mit dem Integrationspreis des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) belohnt wurde.
Heute ist der Klub Kooperationspartner der "Respekt Gaymes", eines vom Lesben- und Schwulenverband gegründeten Festivals für mehr Toleranz, und engagiert sich gegen Gewalt an Frauen. Die "Stopp Tokat"-Kampagne dient der Eindämmung von Jugendkriminalität. Insgesamt investiert Türkiyemspor jedes Jahr gut ein Zehntel des knapp gestrickten Budgets von 500.000 Euro in soziale Projekte.
Auch sportlich konnte der Verein sich stetig weiterentwickeln und ist inzwischen zu Berlins sportlicher Nummer drei aufgestiegen - vor einstigen Branchengrößen wie Tennis Borussia oder dem DDR-Abonnementmeister BFC Dynamo. Als Neuling in Deutschlands vierthöchster Spielklasse, der Regionalliga Nord, spielt man derzeit eine akzeptable Saison, die Chancen auf den Klassenerhalt stehen gut. Eigentlich ein Wunder, fehlt dem Klub doch die Grundvoraussetzung zum Fußballspielen: ein Fußballplatz. Seit Jahren nun sucht der Verein vergeblich nach einem festen Übungsgelände. Rund 1.200 interessierte Jugendliche, so der Verein, konnten aufgrund mangelnder Kapazitäten im letzten Jahr nicht in den Verein aufgenommen werden.
Weil der DFB die ursprüngliche Heimstätte, das Kreuzberger Katzbachstadion, nicht als "regionalligatauglich" einstuft, müssen alle Heimspiele im Jahnsportpark ausgetragen werden. Doch Berlins zweitgrößte Sportarena versprüht bei einem Zuschauerschnitt von 150 Besuchern pro Spiel in etwa die Atmosphäre einer verregneten Autobahnraststätte. Ein echter Heimvorteil sieht anders aus.
In einer selbst für Berliner Verhältnisse selten peinlichen Demonstration politischer Unfähigkeit spielen der rot-rote Senat und die von den Grünen dominierte Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg einen ewigen Doppelpass der Verantwortungsverweigerung, wenn es um die Organisation eines angemessenen Grundstücks geht. Zu groß für die Bezirksebene, sagten die Grünen, ein klarer Fall für die Bezirksebene, sagte SPD-Innensenator Eberhard Körting. Wenn zwei sich streiten, weint der Dritte, und der heißt in diesem Fall Türkiyemspor. "Irgendwann konnte man das Gefühl bekommen, dass ein erfolgreicher Migrantenverein einfach nicht erwünscht ist", ärgert sich Türkiyems Präsident Celal Bingöl.
Immerhin liegt eine mündliche Zusage des Innensenators zur Bereitstellung eines festen Vereinsgeländes am Gleisdreieck ab 2011 vor, für die Übergangszeit soll demnächst eine Anlage in Lichtenberg genutzt werden können - nicht gerade Kerneinzugsgebiet von Türkiyemspor. In der Politik scheint sich endlich eine größere Wertschätzung der gesellschaftlichen Bedeutung Türkiyemspors zu entwickeln. Für die heutige Jubiläumsfeier haben sich mit Franz Müntefering und Cem Özdemir zwei echte politische Schwergewichte angekündigt, knapp 80 weitere Abgeordnete aus Bund und Land wollen im Kielwasser folgen. Integration kommt gut im Wahlkampf. Doch bei Türkiyemspor wäre man gut beraten, den großen Rummel auszuschlachten und die Entscheidungsträger medienwirksam in die Pflicht zu nehmen. Damit man es in den nächsten 30 Jahren ein wenig leichter hat.
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