Türkischer Regierungschef in Ägypten: Triumph für Erdogan
Der türkische Ministerpräsident wird in Kairo begeistert empfangen. Er fordert Reformen in der arabischen Welt und kritisiert erneut die israelische Regierung.
ISTANBUL taz | Mit einem starken Auftritt hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag in Kairo seine Ambitionen unterstrichen, zukünftig auch im Nahen Osten eine führende Rolle spielen zu wollen.
Brüderliches Zusammenstehen zwischen Türken und Arabern, Reformen, um die Bedürfnisse der Völker zu erfüllen, und eine eigener Staat für die Palästinenser, das sind die Botschaften, die Erdogan gestern in Kairo, der ersten Station seiner Reise durch die Länder des Arabischen Frühlings, verkündete.
Erdogan wurde am Montagabend in Kairo von einer begeisterten Menge am Flughafen empfangen. Mehrere tausend Menschen mit Erdogan-Plakaten skandierten lauthals den Namen des türkischen Regierungschefs.
Der Auftritt in Kairo glich einem Triumphzug für Erdogan. Überall, wo er auftauchte, wurde er spontan beklatscht. Passanten, die im türkischen Fernsehen interviewt wurden, äußerten sich begeistert und forderten eine engere Zusammenarbeit zwischen Ägypten und der Türkei.
"eine große Familie"
Genau das schwebt auch Erdogan selbst vor. Als er am Dienstagnachmittag seine Rede vor den Außenministern der Arabischen Liga hielt, beschwor er in blumigen Worten die Freundschaft zwischen Arabern und Türken, die wie "Elemente eines Körpers" und "eine große Familie" seien. Er erinnerte an die jahrhundertealte gemeinsame Geschichte und kündigte eine enge Zusammenarbeit für die Zukunft an.
Sodann beschwor Erdogan die arabischen Führer, die Freiheits- und Demokratiebewegung ihrer Völker zu unterstützen. "Wir müssen den legitimen Forderungen unserer Völker nach Reformen nachkommen", mahnte er die Anwesenden. Die Türkei habe allen arabischen Staaten ihre helfende Hand entgegengestreckt, manche, wie Ägypten, hätten sie ergriffen, andere nicht, kritisierte er das syrische Regime, ohne es namentlich zu nennen.
Anerkennung Palästinas sei ein Muss
Echte Begeisterung kam aber erst auf, als Erdogan auf das eigentliche Thema des Treffens, die angestrebte staatliche Anerkennung Palästinas durch die UNO in der kommenden Woche, zu sprechen kam. Eine staatliche Anerkennung durch die Völkergemeinschaft sei ein Muss, betonte er, alle arabischen Staaten sollten das Anliegen rückhaltlos unterstützen.
Erdogan kritisierte die unverantwortliche Politik der amtierenden israelischen Regierung, die allein schuld daran sei, wenn Israel immer mehr isoliert und dadurch die Zukunft seiner Bürger gefährden würde. Solange die Palästinenser nicht in einem anerkannten eigenen Staat lebten, sei die Legitimität der gesamten internationalen Ordnung infrage gestellt.
Erdogan setzt am Mittwoch seine Reise in Tunesien fort und wird am Donnerstag noch die libysche Hauptstadt Tripolis besuchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?