Türkei will sich finanziell befreien: Weg vom IWF-Diktat
Bis vor Kurzem war die Türkei noch der letzte Großkunde des Internationalen Währungsfonds. Doch jetzt will sie sich vom IWF lösen, wie es die lateinamerikanischen Länder schon vormachten.
ISTANBUL taz | Nicht nur die linken Demonstranten, die sich am Dienstag Straßenschlachten mit der Polizei lieferten, werfen dem Internationalen Währungsfonds vor, Instrument neoliberaler Politik zu sein. Auch das Verhältnis der Türkei zum IWF ist nicht ganz ungetrübt.
Vor dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise war die Türkei der letzte Großkunde des IWF, nachdem die lateinamerikanischen und asiatischen Länder ihre Schulden beglichen und sich von der Abhängigkeit vom IWF befreit hatten. Nun will auch die Türkei, die Anfang 2001 nur durch einen Notkredit des IWF einen Staatsbankrott verhindern konnte, sich dieser Schulden entledigen.
Im Mai 2008 lief das letzte Abkommen zwischen der Türkei und dem IWF aus, die Verhandlungen über einen Anschlusskredit sind bislang ohne Erfolg geblieben. Trotz Krise und starker Einbrüche beim Zufluss ausländischen Kapitals will die türkische Regierung die Bedingungen, die ihnen der IWF in gewohnter Manier diktieren will, nicht akzeptieren.
Zunächst wehrte sich die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan gegen Forderungen, die Preise für Energie und Grundnahrungsmittel zu erhöhen, weil er um seine Wahlchancen bei den Kommunalwahlen im März 2009 fürchtete. Doch je länger die Krise andauerte, die türkische Wirtschaft aber dabei keineswegs ins Bodenlose abstürzte, desto mehr ging Erdogan in Opposition zum IWF. Erst vor wenigen Tagen sagte er, die Türkei könne auch ohne die IWF-Krücken laufen, er sehe den Vorteil eines Abkommens nicht mehr.
Dabei spielen allerdings nicht nur soziale Fragen eine Rolle. Ein Grund ist, dass der IWF fordert, die Steuerbehörde solle von der Regierung unabhängig werden. Das will Erdogan nicht. Dem Wall Street Journal sagte er kürzlich, die Regierung brauche die Steuerbehörde, um gegen die großen Steuerhinterzieher vorzugehen. Hintergrund ist der Konflikt mit dem größten Medienkonzern, der Dogan-Gruppe (u. a. Hürriyet, Kanal D), die in scharfer Opposition zur Regierung steht. Erdogan verglich den Steuerbescheid von über 1,75 Milliarden Euro, die jüngst an den Konzern erging, mit der US-Regierung, die einst den Gangsterboss Al Capone mittels der Steuerfahndung dingfest gemacht hatte.
JG
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