: Türkei soll über Menschenrechte wachen
■ Im Europarat übernimmt das Land im Mai turnusgemäß den Vorsitz des Ministerkomitees
Straßburg (afp) — Ungeachtet der internationalen Kritik an der blutigen Unterdrückung der Kurden wird die Türkei voraussichtlich am 8. Mai für sechs Monate den Vorsitz des Ministerkomitees des Europarats übernehmen — einer Organisation, deren wichtigste Aufgabe der Schutz der Menschenrechte ist. Ein Aufschub der türkischen Ratspräsidentschaft, wie 1981 nach dem Militärputsch, scheint diesmal so gut wie ausgeschlossen. Denn die Regierung in Ankara, die das kurdische Neujahrsfest „Newroz“ zum Anlaß für ein Massaker in Türkisch-Kurdistan nahm, muß noch nicht einmal eine Rüge von der Ministerrunde erwarten, die eine wichtige Plattform für die internationale Anerkennung der Türkei ist. Auch die Bundesregierung, so war im Auswärtigen Amt zu vernehmen, wird beim Europarat keinen Vorstoß unternehmen.
Die Nachsicht gegnüber der Türkei hat Tradition. So wurde die türkische Mitgliedschaft nach dem Militärputsch vom Herbst 1981 nicht suspendiert. Lediglich die parlamentarische Zusammenarbeit ruhte, nachdem die Militärs das Ankaraer Parlament geschlossen hatten. Eine Klage von fünf Staaten bei der Menschenrechtskommission wegen der massiven Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention, zu deren Unterzeichnerinnen die Türkei gehört, wurde im Dezember 1985 gütlich beigelegt. Trotz der Versprechen der neuen Zivilregierung gab es in den folgenden Jahren politische Prozesse gegen Oppositionelle und Gewerkschafter. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international berichtete von Folter in türkischen Haftanstalten. Der Europarat reagierte, wenn überhaupt, nur mit verhaltener Kritik. So nahm die Parlamentarische Versammlung bei ihrer letzten Sitzung im Februar wieder einmal eine Debatte über die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei in letzter Minute von der Tagesordnung. Die Parlamentarier aus den 26 Mitgliedsstaaten beugten sich damit dem Druck der türkischen Delegation. Angeblich soll das Thema nun bei der Sommersitzung im Juni zur Sprache kommen. Seit 1990 ist das Anti-Folter-Komitee des Europarats zweimal in die Türkei gereist und hat die Zustände in mehreren Haftanstalten überprüft. Der Bericht der Experten wird nach wie vor unter Verschluß gehalten — auf Wunsch der türkischen Regierung. Auch den Ausnahmezustand, der seit Sommer 1990 in den zehn kurdischen Provinzen im Südosten der Türkei gilt, und die damit verbundene Suspendierung der Menschenrechtskonvention nahm der Europarat hin.
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