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Türkei bewegt sich in der PKK-FrageAbdullah Gül entdeckt das K-Wort

Türkeis Staatspräsident trifft erstmals mit Vertretern der kurdischen Regionalregierung im Nordirak zusammen. Diese fordert eine umfassende Amnestie für PKK-Mitglieder,

Abdullah Gül nimmt auf seiner Reise in den Irak tatsächlich das Wort "Kurdistan" in den Mund. Bild: dpa

ISTANBUL taz Erstmals hat der türkische Staatspräsident Abdullah Gül das bislang offiziell geächtete Wort in den Mund genommen und von "Kurdistan" gesprochen. Damit meinte er nicht den Südosten der Türkei, sondern die autonome kurdische Region im Nordirak. Am Montag, im Flugzeug auf dem Weg nach Bagdad sprach Gül gegenüber den mitreisenden türkischen Journalisten plötzlich von Kurdistan, als er erläuterte, was er mit dem Regierungschef der autonomen Region zu besprechen beabsichtigt. Dienstagmittag kam es dann nach dem verbalen Donnerschlag zur leibhaftigen Begegnung mit dem kurdischen Politiker Nechschirwan Barsani.

Bislang hatte sich Ankara immer geweigert, mit Vertretern der kurdischen Regionalregierung im Nordirak direkt zu reden, weil sie vermeiden wollte, den Autonomiestatus des Nordirak anzuerkennen. Stattdessen wurden die Gespräche über die aus dem Nordirak heraus operierende PKK immer nur mit Bagdad geführt, was jedoch nur bedingt erfolgreich war.

Immerhin ist der irakische Staatspräsident Dschalal Talabani auch Kurde und der Chef der zweitgrößten Partei im Nordirak. Chef der größten Partei ist Massud Barsani, derzeit Präsident der autonomen Region und Onkel von Ministerpräsident Nechschirwan, mit dem Gül sich nun in Bagdad zusammensetzte. Eingefädelt worden war dieser Coup in Gesprächen mit Talabani, der vorher in Ankara war und am Montag Gül auch zunächst empfing. Sowohl im Gespräch mit Talabani wie auch mit Barsani ging es nur um eine Frage: Wie kann man den bewaffneten Kampf der PKK beenden?

Während die türkische Regierung es bislang mit Militäraktionen im Nordirak und zaghaften Reformen zu Hause versucht, drängten Talabani und Barsani auf eine umfassende Amnestie für PKK-Mitglieder. Auf einer Kurdenkonferenz im April wollen beide die PKK auffordern, ihre Waffen niederzulegen. Gleichzeitig müssten die ehemaligen Guerilleros jedoch die Chance bekommen, "unbehelligt nach Hause zu gehen", forderte Talabani von Gül. Damit es wirklich zu einem Ende der Kämpfe kommt, soll zudem der Führungsebene der PKK "freies Geleit", wahrscheinlich in ein skandinavisches Land, angeboten werden, spekulieren türkische Kommentatoren. Die nordirakischen Kurden sind nach langem Taktieren offenbar bereit, gemeinsam mit der Türkei auf ein Ende der PKK hinzuarbeiten. Aber ist auch die türkische Gesellschaft nach 40.000 Toten im Bürgerkrieg mit der PKK bereit, einen solchen Schritt zu akzeptieren, fragen Leitartikler wie Oral Calislar.

Gül scheint entschlossen, das Risiko eingehen zu wollen. Schon vor seiner Reise nach Bagdad hatte er von einer entscheidenden Entwicklung in der kurdischen Frage noch in diesem Jahr gesprochen. Die Kommunalwahlen am kommenden Sonntag werden zu einer Art Referendum für Güls regierende AKP in den überwiegend kurdisch besiedelten Städten im Südosten. Prognosen zufolge wird die AKP dort Stimmen verlieren. Es sieht so aus, dass die Regierung, solange der bewaffnete Kampf nicht politisch beendet wird, das Vertrauen der Kurden nicht gewinnen kann. JÜRGEN GOTTSCHLICH

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2 Kommentare

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  • SK
    Serdar Kent

    Herr Gottschlich haette der Vollständigkeit halber ruhig erwähnen können, nach nach eigenen Angaben der PKK Terrororganisation mehr als ein Drittel der PKK aus linksextremistischen Europäern zusammengesetzt sind, darunter ethnische Deutsche, Franzosen, Italiener, Griechen, Schweizer und die lieben Armenier nicht zu vergessen. Oder ist das etwa peinlich zu erwähnen, dass Medien in Europa kaum ein Wort darüber verlieren? Und woraus besteht der Rest der PKK? Zumeist aus Minderjährigen, bei den Frauen, die wegen Zwangsverheiratung, Ehrenmorden usw. von Zuhause geflüchtet sind und neuerdings stossen aus dem Nordirak kurdische Mädchen zur Terrororganisation PKK, die vor Genitalverstümmelung in der kurdischen Autonomieregion im Nordirak flüchten (etwas was es laut Frauenrechtsorganisationen und zahlreichen NGOs ausschliesslich im kurdischen Nordirak gibt und wo zwischen 40-80% der Mädchen auf diese Weise verstümmelt werden). Da schweigen sich natürlich die europäischen Medien aus, genauso wie Barzani aus der Autonomieregiom im Nordirak niemals in Interviews in westlichen Medien damit konfrontiert wird, dass die Scharia als Gesetzgebung eingeführt wurde und die archaischen Stammeskulturen von den Behörden legitimiert werden. Weiterhin ist nirgends ein Thema, dass der neuiranische Dialekt Kermanci (welches die Mehrheit der Kurden spricht), im Nordirak vom Barzani Regime verboten wurde! Es ist weder in den Medien erlaubt, noch darf es in den dortigen Schulen gelehrt werden, geschweige ist Amtssprache.

    Es ist rührend zu sehen, wie in Europa mit Separatismus und Militanz in anderen Ländern sympathisiert wird. Aber hierzulande sollen sich Minderheiten natürlich gefälligst integrieren. Da interessiert es die ach so aufgeklärten und friedliebenden (Fassade) Europäer nicht, dass solche von je her die Türkei betreffend von Aussen unterstützte und forcierte Territorialkonflikte immer der Auslöser für Kriege und Katastrophen gewesen sind. Deutschland selbst hat es anhand der eigenen Kleinstaaterei selbst erlebt und Europa in den folgenden Jahrhunderten auf Ebenen der Nationalstaaten. Man wird aufgrund des Verhaltens mancher Europäer den Eindruck nicht los, dass hierbei historisch kultivierter Antitürkismus in ihrem Verhalten eine grosse Rolle spielt. Sogar sprachlich hat sich diese Kultur manifestiert.

  • TC
    Taylan Canli

    Das Vertrauen der Kurden wird die AKP-Regierung nicht gewinnen. Das hat sie am letzten Wochenende zu spüren bekommen, als die Kurden Ihr Newrozfest im ganzen Lande feierten. Zu hundertausenden und sogar bis zu einer Million Menschen in Diyarbakir trafen sich die Anghänger der pro-kurdischen Partei DTP. Noch nie zuvor, hat man klare Stellung zur PKK und zum Vorsitzenden Abdullah Öcalan, der in Haft ist, Stellung bezogen. Das ist ein kleines Zeichen dafür, dass die AKP am Wochenende die wichtigen Provinzen zur kommenden Wahl verlieren wird.

    Die AKP ist einfach nicht ehrlich zu den Kurden.

     

    Man kann doch keine Konferenz machen, wo die PKK ausgeschlossen wird. Nur weil die Türkei das nicht möchte. Die PKK ist nicht nur irgendeine Organisation. Sie vertritt mehrere Millionen Menschen, besitzt Unternehmen, hat Politiker im Parlament sitzen, finanziert einen Fernsehsender usw....Wie kann man über mein Schicksal entscheiden oder mein Problem lösen wenn ich selber nicht eingeladen bin????

     

    Die Türkei muss mit der PKK an einem Tisch sitzen und verhandeln wenn sie aufrichtig das Kudenproblem lösen möchte!!!