: Tschetschenischer Ort unter schwerem Beschuß
■ Moskau plant Sturmangriff auf Bamut. Rebellen schließen Rückzug nicht aus
Moskau (AFP) – Einen Tag nach ihren schweren Verlusten bei Bamut, etwa 50 Kilometer südwestlich der tschetschenischen Hauptstadt Grosny, hat die russische Armee gestern die bislang massivsten Angriffe auf den seit mehr als einem Jahr belagerten Ort geflogen. Nach eigenen Angaben eroberte sie dabei mehrere strategisch wichtige Hügel südlich und östlich von Bamut.
Demgegenüber widersprach ein Kommandeur der tschetschenischen Unabhängigkeitskämpfer den Angaben über das russische Vorrücken. „Die Russen werden Bamut nicht mit Gewalt erobern“, sagte Doku Machajew gestern. Gleichzeitig wollte er die Möglichkeit eines Rückzuges der Rebellen nicht mehr ausschließen. Seinen Angaben zufolge sind derzeit noch rund 150 tschetschenische Kämpfer in dem Ort.
Am Mittwoch waren bei den Kämpfen nach widersprüchlichen russischen Angaben 16 bis 40 russische Soldaten getötet und mehrere Dutzend verletzt worden. Von tschetschenischer Seite wurde die Zahl von 400 getöteten oder verletzten russischen Soldaten genannt. Die russischen Truppen hatten die Angriffe mit schweren Waffen verstärkt, um einen Infanterie-Einsatz vorzubereiten. Nach Angaben aus russischen Militärkreisen ist noch für diese Woche ein neuer Sturmversuch geplant.
Ein Kreml-Sprecher teilte unterdessen mit, der russische Präsident Boris Jelzin wünsche, daß Friedensgespräche zu Tschetschenien so bald wie möglich begännen. „Der Präsident bereitet sich ernsthaft und intensiv auf diese Gespräche vor“, sagte Sergej Mewedjew dem Radiosender „Moskauer Echo“. Von tschetschenischer Seite könne der Führer der tschetschenischen Unabhängigkeitskämpfer, Selimchan Jandarbijew, oder ein anderer führender tschetschenischer Vertreter Gesprächspartner sein. Das russische Unterhaus habe die Befragung vom Innen- und Verteidigungsministerium zu den Kämpfen in Bamut verlangt, sagte der kommunistische Parlamentspräsident Gennadi Selesnjow. Der Vorsitzende des Sicherheitsausschusses im Parlament, der Kommunist Viktor Iljuchin, warf Jelzin vor, den Krieg „auf zynische Weise“ zum Zwecke seiner Wiederwahl zu benutzen.
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