piwik no script img

Truppenverstärkung in AfghanistanNato schickt 7000 Soldaten mehr

Die Verbündeten der USA wollen mehr Soldaten nach Afghanistan entsenden als bisher bekannt. Eine wachsende Zahl von Bürgern in Deutschland sieht den Bundeswehr-Einsatz jedoch kritisch.

Mehr als zwei Drittel der Bürger ist für einen raschen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Bild: dpa

BRÜSSEL/BERLIN/ dpa/afp/rtr/ap | Die Verbündeten der USA wollen mindestens 7000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan schicken. "Mindestens 25 Länder werden zusätzliche Soldaten schicken. Sie haben 7000 angeboten und es werden noch mehr kommen", sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Freitag in Brüssel nach Beratungen der NATO-Außenminister. Zusammen mit den von US-Präsident Barack Obama angekündigten US-Soldaten würden daher mindestens 37 000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan geschickt. Die von der NATO geführte Afghanistan-Schutztruppe ISAF hat derzeit 83 500 Soldaten.

Weitere Fragen hat auch die Neubewertung des Luftangriffs vom September auf Tanklaster in Afghanistan durch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) aufgeworfen. "Das ging jetzt ja doch schnell", sagte SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Freitag. "Man fragt sich allerdings, welche Informationen er hatte, um zu dieser neuen Bewertung zu kommen", fügte er mit Blick auf Guttenberg hinzu. Auch fehle nach wie vor eine inhaltliche Begründung "für den Rauswurf des höchsten militärischen Beraters und des höchsten zivilen Beamten", sagte Bartels weiter.

Der SPD-Politiker bezog sich dabei auf Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert, die im Zuge des Informationsskandals nach dem von der Bundeswehr angeforderten Luftangriff in Afghanistan Anfang September zurückgetreten waren. Guttenberg ehrte die beiden am Donnerstagabend in Berlin mit einem Großen Zapfenstreich. Dies ist traditionell die höchste Form der militärischen Ehrerweisung durch deutsche Soldaten. Der Große Zapfenstreich besteht aus einer genau festgelegten Abfolge musikalischer Elemente und militärischer Zeremonien. Kritiker sehen das Zeremoniell als ein "Symbol des Militarismus".

Der Bundeswehrverband kritisierte Guttenberg wegen der Neubewertung ebenfalls. Der Verbandsvorsitzende Ulrich Kirsch forderte am Freitag eine Begründung dafür, dass die Bombardements nunmehr als "militärisch nicht angemessen" bewertet werden. Der Rechtsanwalt von Opfer-Angehörigen, Karim Popal, sieht jetzt bessere Chancen, die Interessen seiner Mandanten durchzusetzen.

Kirsch sagte im ZDF-Morgenmagazin, sein Verband könne die Luftangriffe auf zwei von Taliban gekaperte Tanklaster bei Kundus am 4. September nicht von sich aus bewerten, "weil wir die geheimen Unterlagen nicht kennen". Er forderte von Guttenberg: "Die Begründung ist nachzuliefern."

Bei seiner Neubewertung sagte Guttenberg, er zweifele nicht daran, dass der Oberst im Interesse seiner Soldaten gehandelt habe. Die Dokumente, die er bei seiner ersten Bewertung noch nicht gekannt habe, hätten ihn nun aber verlasst, den Angriff als objektiv "militärisch nicht angemessen" zu bezeichnen. Auf der Grundlage eines NATO-Berichts hatte Guttenberg den Luftangriff am 6. November noch als "militärisch angemessen" bewertet.

Der Bremer Anwalt der Angehörigen der Opfer des Bombenangriffs, Karim Popal, sieht durch die Neubewertung Guttenbergs bessere Chancen für seine Mandanten. Die Interessen der Angehörigen würden sich nun "mit Sicherheit besser durchsetzen lassen", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Was wir wünschen und wollen, ist, dass man die Wahrheit sagt; und mittlerweile sagt man die Wahrheit", so Popal.

Ebenfalls wurde bekannt, dass eine wachsende Zahl von Bürgern den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan kritisch sieht. Im am Donnerstagabend veröffentlichten ARD-Deutschlandtrend fordern 69 Prozent der Befragten, dass sich die Bundeswehr möglichst schnell aus Afghanistan zurückziehen soll. Gegenüber dem September ist dies nach Angaben der ARD ein Plus von 12 Punkten. Nur 27 Prozent sind der Meinung, die Bundeswehr solle weiterhin in Afghanistan stationiert bleiben.

Mit Blick auf die Affäre um das Bombardement zweier Tanklaster nahe Kundus im September haben Dreiviertel der Befragten kein Vertrauen in die Informationspolitik der Bundesregierung. Nur 19 Prozent glauben, dass die zunächst nicht korrekte Information über den von der Bundeswehr angeforderten Luftschlag mit vielen Toten ein Einzelfall war und die Regierung sonst umfassend und ehrlich über den Bundeswehr-Einsatz informiert.

Die Umfrage von infratest-dimap im Auftrag der ARD wurden am Montag und Dienstag 1000 repräsentativ ausgewählte Bürger befragt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • A
    asd

    erinnert das denn nur mich an orwell?? 1984??

    die verbliebenen weltmächte führen im gegenseitigen einverständniss einen krieg untereinander um das volk bei stange zu halten.

     

    diese "terroristen" werden doch wohl ganz offensichtlich von den reichen islamistischen ländern unterstützt, diese sind nicht zufällig einige der besten wirtschafts/ geschäftspartner des westens.

     

    solange wir versuchen mit militärischer gewalt den terrorismus zu bekämpfen wird es diesen terrorismus geben.

    weil unser aussenpolitisches verhalten überhaupt erst der grund für diesen terrorismus war.

    man kann nicht jeden terroristen ausschalten, es geht einfach nicht, es sei denn man tötet so viele menschen dort bis sich niemand mehr traut vor die tür zu gehen. eine tolle friedens perspektive.

  • M
    Mike

    Die Verbündeten der USA "wollen" nicht ihre Truppenzahl erhöhen. Sie 'sollen' und 'müssen' es auf Druck der USA. Sonst würde das Verhältnis zu den USA beschädigt. Man darf gespannt sein, wie die USA die Holländer davon abhalten, den von diesen für 2010 geplanten TruppenABZUG nicht vorzunehmen.

  • L
    Laila

    Deutschland führt seit 1945 das erste Mal wieder 'richtig' Krieg - und die Menschen in Deutschland gehen shoppen...Das 'Fest des Friedens' naht.

    Vorweihnachtszeit 2009. Pervers. Wo bleibt der Aufschrei, wo bleiben in Deutschland die Proteste gegen diesen Krieg?

  • B
    Bob

    "Die Abgeordneten stimmten am Abend für die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr um ein Jahr." schreibt die TAZ.

    Welche Abgeordneten haben wofür gestimmt ?

    Die LINKE hat geschlossen gegen eine Verlängerung

    gestimmt.Die Grünen haben sich mehrheitlich enthalten,wobei sich die Frage stellt,warum

    sich Parlamentarierinnen bei lebenswichtigen

    Fragen enthalten.

    Hier wird ein Krieg unter falschen Prämissen geführt, der hunderte Milliarden Dollar und unzählige Menschenleben kostet.Warum ?

    Bin Laden schnappen ?

    Die USA haben ihn entkommen lassen.

    Sicherheit Deutschlands am Hindukusch verteidigen ?

    Al Qaida ist nicht mehr existent in Afghanistan.

    Im Übrigen lässt sich Terror nicht nur in afghanischen Höhlen vorbeiten,sondern überall auf der Welt.Zudem ist der Antiterror-Krieg eine schlichte Propagandalüge,da westliche Geheimdienste seit Jahrzehnten islamische Extremisten und Terroristen unterstützen.

    http://www.newint.org/features/2009/10/01/blowback-extended-version/

    Auch die "Taliban",eine religiöse, antikommunistische Bewegung,die mehrheitlich

    Paschtunen sind.Hochgerüstet im Freiheitskampf gegen die Russen hat man sie noch bis kurz vor

    9/11 hofiert, um mit ihrer Hilfe den Bau einer Pipeline zu realisieren.

    Heute setzt die westliche Gemeinschaft auf Bündnisse mit Warlords und Drogenhändlern,

    die auch in Punkto Frauenunterdrückung keinen

    Deut besser sind als die Talibs.

    http://www.lewrockwell.com/margolis/margolis22.html

    Wer wissen möchte warum Unsummen in diesem

    grausamen Krieg versenkt werden,sollte sich

    die zentralasiatische Region im Atlas genau

    anschauen.

  • M
    Makeze

    Nato Truppen bilden ja nur einen kleinen Teil des Gesamtprojekts "Aufbau Afghanistan". Sie übernehmen den Auftrag der aghanischen Staatsorgane im Bereich öffentliche Sicherheit.

    Afghanistan ist noch nicht so weit, es gibt sehr viel organisatorisches von ihrer Seite aus zu erledigen, bis sie wieder auf eigenen Beinen stehen können. Bis sie genug Polizei, aber auch genug Ärtzte, Ingenieure, Ökotrophologen, etc. etc. haben.

    Schön, dass die internationale Gemeinschaft im Bereich Sicherheit aufstocken will und sie so langsam einen Plan entwickeln. Hoffentlich machen Sie das auch beim Rest des "Projekts". Sonst war eh alles für die Katz...

  • S
    Stefan

    Wenn Obama eine Aufstockung und Gleichzeitig den Abzugstermin bekannt gibt, dann kann er sich doch gleich alles sparen. Die Taliban stellen ihre Kalaschnikow in die Ecke und warten eben ab. Das bedeutet natürlich auch weniger Gefahr für alle Soldaten, denn die Taliban werden sich doch auf keine Gefechte einlassen, wenn sie nur abwarten müssen.

    "Liebe Bürger, an diesem Wochenende werden wir verstärkt Alkoholkontrollen durchführen. Sollten sie etwas getrunken haben, dann verlegen Sie bitte den Fahrtantritt bis nach 3:00h, dann machen unsere Beamten nämlich Feierabend. Immer für ihre Sicherheit da, Ihre Polizei"