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Truppenaufmarsch am Golf geht weiter

■ Präsident Bush will Reservisten einberufen / US-Truppen jetzt auch in Abu Dhabi / 800 irakische Mittelstreckenraketen in Kuwait / UNO-Sicherheitsrat lehnt Unterstützung der US-Blockade ab

New York/Washington/Dschidda (ap/afp/adn/dpa) - Die Vorbereitungen für eine militärische Auseinandersetzung am Persisch-Arabischen Golf liefen auch gestern auf Hochtouren. Nach Angaben von US-Offizieren verstärken die USA die Offensivfähigkeit ihrer nach Saudi-Arabien verlegten Streitkräfte, um jederzeit zu einem Angriff auf die irakischen Invasionstruppen in Kuwait fähig zu sein. Mitarbeiter des Weißen Hauses in Washington teilten mit, US -Präsident Bush werde aller Voraussicht nach noch am Dienstag Tausende von Reservisten einberufen.

Der Irak hat unterdessen 800 Mittelstreckenraketen des Typs „Al-Husain“ in Kuwait stationiert. Britische Nachrichtendienste schätzen die Schlagkraft der Iraker jedoch als gering ein. Die Kampfkraft der 120.000 Mann von Saddams Eliteeinheiten sei erheblich übertrieben worden und die Nachschublinien so schlecht organisiert, daß eine Invasion Saudi-Arabiens so gut wie unmöglich sein dürfte, lautete ihr Resümee.

UN-Sicherheitsrat gegen US-Blockade

Im UN-Sicherheitsrat konnten sich die USA nicht durchsetzen, die Überwachung der gegen den Irak verhängten Sanktionen notfalls auch mit Waffengewalt durchzusetzen. Bei den am frühen Dienstag morgen beendeten Konsultationen im Sicherheitsrat gelang es ihnen nicht, das Gremium zur Annahme einer Resolution zu bewegen, die den Kriegsschiffen Washingtons und anderer Staaten notfalls Schußwaffengebrauch erlauben sollte. Kuba und der Jemen hatten deutlich gemacht, daß sie gegen das US-Ansinnen stimmen würden. Von den ständigen Mitgliedern des Rates stellte sich nur Großbritannien hinter die US-Position. Der jemenitische Vertreter gab jedoch eine Garantieerklärung ab, wonach der Jemen die UN-Sanktionen gegen den Irak einhalten werde. Auch Teheran, das die US-Präsenz am Golf verurteilt, will sich an die UN-Sanktionen halten.

Erstmals sprach Präsident Bush am Montag von den im Irak festgehaltenen westlichen Ausländern als „Geiseln“. Angesprochen auf die Lage am Golf, meinte er, „es könnte dort unten ziemlich heiß werden“. Die Bagdader Nachrichtenagentur 'ina‘ zitierte einen irakischen Parlamentssprecher mit der Angabe, „die ausländischen Gäste“ in Kuwait und im Irak seien in alle wichtigen Einrichtungen und Militärobjekte Iraks verlegt worden. Das Bagdader Außenministerium teilte mit, alle Botschaften in Kuwait müßten bis zum Freitag geschlossen werden, andernfalls würden die dort akkreditierten Diplomaten ihren Status verlieren und wie normale Ausländer behandelt werden. Die einheimische Bevölkerung Iraks und Kuwaits wurde bei hoher Strafandrohung eindringlich davor gewarnt, Ausländern Unterschlupf zu gewähren. Bürger anderer Staaten, darunter der Sowjetunion und Irans, haben dagegen die Zusicherung zur Ausreise erhalten oder das Land bereits verlassen dürfen.

Der libysche Staatschef Gaddafi drohte am Montag mit dem UN -Austritt, falls der Sicherheitsrat die US-Gewaltanwendung im Golf nicht verurteile. Seinen Worten zufolge sollte der Sicherheitsrat aber eine Resolution verabschieden, die auch militärische Aktionen gegen den Irak vorsieht. Gaddafi verurteilte darüber hinaus die irakische Geiselnahme westlicher Ausländer.

Auch Frankreich greift erstmals ein

Auch in den westeuropäischen Staaten wächst offenbar die Bereitschaft, die US-Flottenaktion im Golf zu unterstützen. Die französische Marine hat seit dem UN-Beschluß gegen den Irak erstmals im Golf interveniert. Zwei irakische Schiffe seien „verhört“ worden, sagte der Kommandant der französischen Seestreitkräfte im Indischen Ozean. Die französische Flotte habe Kontroll-Anweisungen, bis hin zu Warnschüssen. Daraufhin drohte ein Sprecher des irakischen Parlaments, die Franzosen im Irak und in Kuwait würden wie Amerikaner behandelt, falls sich Paris an der Blockade beteilige. Energisch hatte Paris bereits am Montag dementiert, man habe versucht, das Problem der französischen Geiseln im Alleingang zu lösen.

Wie aus amerikanischen Quellen in Dubai bekannt wurde, haben die USA am Montag 525 Soldaten und 16 schwere Transportflugzeuge nach Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten verlegt. Auch etliche westeuropäische Staaten entsandten Schiffseinheiten in Richtung Krisenregion. Die Bundesrepublik wird dagegen keine Einheiten der Bundeswehr ins Krisengebiet schicken.

Assad und Mubarak werden aktiv

Syriens Präsident Assad hat den irakischen Staatschef in einem dramatischen „Appell zur Rettung Iraks und der arabischen Region“ aufgefordert, seine Truppen aus Kuwait abzuziehen. In einem eindringlichen Aufruf wandte sich gestern auch der ägyptische Präsident Mubarak an Saddam Hussein. Er bat ihn, seine Truppen aus Kuwait zurückzuziehen, um einen „destruktiven Krieg“ zu vermeiden. Wie Assad forderte Mubarak die Wiedereinsetzung des Emirs Scheich Dschaber as-Sabah. Nur so werde die arabische Welt in der Lage sein, den irakisch-kuwaitischen Konflikt friedlich beizulegen.

Als „nützlich, notwendig und unverzichtbar“ hat der sowjetische Außenminister Schewardnadse ein Gespräch mit dem stellvertretenden irakischen Ministerpräsidenten Hammadi am Montag in Moskau bezeichnet. Nach Meinung der sowjetischen Armeezeitung 'Krasnaja Swesda‘ muß der Irak die Initiative für eine Lösung der Golfkrise ergreifen. Das Blatt warnte gestern vor einer unkontrollierten Zuspitzung der Lage.

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