Otto Sander liest Edgar Hilsenrath : Trügerischer Plauderton
Dieser Roman – das ist Güte, die zu spät kommt. Seine Struktur: Zeitschichten, die wie Erdplatten gegeneinander kratzen, ohne Spannung zu lösen: In einer Neuausgabe ist kürzlich Edgar Hilsenraths Roman Jossel Wassermanns Heimkehr erschienen, aus dem Otto Sander jetzt im Schauspielhaus liest.
Leichtfüßig erzählt Hilsenrath vom verschwundenen Vielvölker-Leben in der Bukowina, in die er 1938 aus Deutschland flüchtete; mit Mutter und Bruder überlebte er später das Ghetto von Mogilev-Podloski.
Protagonist Jossel Wassermann möchte vom Schweizer Exil aus Jankl, dem Wasserträger seines Heimatdorfs, sein Erbe vermachen – wenn der dortige Thoraschreiber Wassermanns Vita notiert. Ein Anliegen, dessen Vergeblichkeit zynisch wirkt angesichts der Tatsache, dass zeitgleich alle Dorfbewohner in Viehwaggons auf den Abtransport gen Osten warten. Doch Hilsenrath gelingt ein Historie aufblätternder Plauderton, der die bevorstehende Vernichtung der Protagonisten nicht ausblendet. PS
So, 23.5., 12 Uhr, Schauspielhaus, im Beisein von Edgar Hilsenrath