Trotz Wirtschaftskrise: Chinas Armeeetat wächst zweistellig
Offiziell untersteht die Armee der KP. Doch die beklagt mangelnde Disziplin und fehlenden Gehorsam bei den Streitkräften: Die Armee ist ein Staat im Staate - und wächst rasant.
Die Warnung war deutlich, der Ton scharf, als Staats- und Parteichef Hu Jintao im Februar hohe Generäle und Admiräle um sich versammelte. Hu ist als Vorsitzender der einflussreichen Zentralen Militärkommission der Oberbefehlshaber der Volksbefreiungsarmee. Er forderte mehr "militärische Disziplin". Chinas 2,3 Millionen Soldaten müssten den Befehlen der Partei "ohne Kompromisse und mit absolutem Gehorsam folgen", zitierte ihn die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Angesichts der komplizierten Weltlage müssten die Streitkräfte "harte und gefährliche Aufgaben erfüllen", sich von einer Bauernarmee in eine moderne Truppe verwandeln und auf einen "militärischen Kampf" vorbereiten.
Einen Tag vor Beginn der Tagung des Volkskongresses hat die Regierung in China der Armee eine Erhöhung des Budgets um 15 Prozent versprochen. Mit den Mitteln soll das Militär beim Katastrophenschutz, der Bekämpfung des Terrorismus und sozialer Unruhen besser ausgerüstet sein.
China steigert seine Ausgaben für das Militär jährlich um einen zweistelligen Prozentsatz. Das Geld ist nicht nur für die Landesverteidigung gedacht, sondern auch für Friedenseinsätze chinesischer Soldaten und der Bekämpfung der Piraterie.
Das Militärbudget steigt damit in diesem Jahr auf insgesamt 70 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Die USA haben für dieses Jahr einen Militäretat von 515 Milliarden Dollar eingeplant - ohne die Kriege im Irak und in Afghanistan.
Solche Aufrufe zur Einheit und Loyalität gegenüber der Partei sind nicht selten, doch dieser war überraschend energisch. Im Jahr 2009 gedenken die Chinesen vieler heikler Ereignisse - unter anderem des Tibet-Aufstands 1959 und des Tiananmen-Massakers 1989.
Entsprechend besorgt ist die Pekinger Führung über die Lage, denn gleichzeitig hat die weltweite Wirtschaftskrise auch China erreicht - Massenarbeitslosigkeit und soziale Konflikte drohen. Der Armeeetat wächst derweil erneut zweistellig.
In ihrem kürzlich veröffentlichten Weißbuch warnten Chinas Militärpolitiker vor Problemen mit Minderheiten, etwa in Tibet, dem muslimisch geprägten Xinjiang oder "separatistischen" Umtrieben auf der Insel Taiwan. Chinas Armee hat einen ungewöhnlichen Status - ein Erbe ihrer revolutionären Geschichte: Sie untersteht offiziell nicht der Regierung, sondern der KP.
Dies geht auf Staatsgründer Mao Zedong zurück, der erklärte, dass die "die Macht aus den Gewehrläufen" kommt. Die Armee muss nicht nur das Land verteidigen. Sie dient auch dazu, im Inland Unruhen zu unterdrücken. Zudem wird sie bei Naturkatastrophen eingesetzt.
Das gefährliche Eigenleben der Armee
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Armee zu einem Staat im Staate entwickelt, mit eigenen Universitäten, Unternehmen, Krankenhäusern und Kulturtruppen. Sie unterhält Radio- und Fernsehsender und ist für Chinas ehrgeiziges Raumfahrtprogramm verantwortlich.
Bei den Olympischen Spielen 2008 war ihre Präsenz unübersehbar: Sie stellte nicht nur Tänzer und Artisten bei Eröffnungs- und Schlussfeier, sondern bestimmte auch mit anderen Sicherheitsdiensten, wer einreisen durfte.
Die jüngste Aufforderung von KP-Chef Hu zu mehr Disziplin und Gehorsam lässt vermuten, dass Generäle sich zu selbstständig gemacht haben. Die Korruption in den Streitkräften blüht. In den vergangenen Jahren hat die Führung mehrfach angekündigt, den Lebenswandel von Militärs zu untersuchen, deren teure Villen und Autos nicht vom schmalen Sold bezahlt sein können.
Im Jahr 2006 wurde ein Vizeadmiral hingerichtet, weil er Bestechungsgelder von mehreren Millionen Euro für den Bau militärischer Einrichtungen eingestrichen hatte. Eine offene Debatte über die Geschäfte von Unternehmen, die der Truppe gehören, ist in Chinas Medien tabu.
Geheim bleibt auch die wirkliche Höhe des Militäretats. Im Jahr 2008 betrug er offiziell umgerechnet 47 Milliarden Euro. Diese Summe halten internationale Experten für zu niedrig, Mittel fließen auch aus geheimen Töpfen in die Truppe.
Unzufriedene Veteranen protestierten in den letzten Jahren immer wieder, weil sie zu wenig oder gar keine Pension erhielten. Auf Webseiten klagen Veteranen zudem über nicht eingehaltene Versprechen, ihnen nach ihrer Dienstzeit Jobs im Zivilleben zu beschaffen. "Nur wenn die Familie eines Veteranen gute Beziehungen zu einflussreichen Personen hat, kriegt man eine Stelle", beschwerte sich einer.
Drei Jahrzehnte, nachdem die Armee im Februar und März 1979 mit einem verlustreichen "Straffeldzug" gegen Vietnam ihren letzten Krieg führte, will sie sich mit einer großen Militärparade am 1. Oktober in Peking als starke und moderne Streitkraft zeigen.
Die große Schau der Soldaten, Milizen, Panzer und Raketen ist Teil der geplanten Feier zum 60. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik. Um die Parade - und die vom berühmten Regisseur Zhang Yimou inszenierten 60-Jahres-Feiern - vor Störungen zu schützen, werden voraussichtlich zehntausende Polizisten und Militärs die Hauptstadt überwachen - nach dem Vorbild von Olympia 2008.
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