Trotz Überschüssen: Energieagentur warnt vor Stromlücke
Die Deutsche Energieagentur warnt vor der "Stromlücke": Nötig wäre rund ein Dutzend Großkraftwerke. Umweltschützer bezeichnen die Zahlen als "Zweckpropaganda".
BERLIN taz | Die Deutsche Energieagentur (Dena) warnt mit neuen Zahlen vor einer Stromlücke und steigenden Preisen. Dies berichtet das Handelsblatt und beruft sich auf Angaben von Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler.
Dem Bericht zufolge fehle im Jahr 2020 in Deutschland eine Leistung zwischen 10.500 und 14.100 Megawatt von Kohle- und Gaskraftwerken. Dies entspräche rund einem Dutzend konventioneller Großkraftwerke. Die genaue Höhe hänge letztendlich von der Entwicklung des Stromverbrauchs ab.
Die Studie sei sogar noch optimistisch berechnet, da in der Berechnung das umstrittene Steinkohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg in die Kategorie der kürzlich in Betrieb gegangenen oder derzeit in Bau befindlichen Projekte eingeordnet worden sei. Das Kraftwerk in Datteln, für das das Oberverwaltungsgericht Münster kürzlich einen teilweisen Baustopp verhängt hatte, ist in die Kategorie für Kraftwerke mit erteilten oder absehbaren Baugenehmigungen eingeordnet.
Aufgrund der zuletzt erfolgreichen Proteste gegen geplante Kohlekraftwerke sagte Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler: "Wir können in dieser Hinsicht keine Entwarnung geben. Im Gegenteil: Die Lage hat sich eher verschlechtert." Denn eine Verschiebung oder ein Stopp von geplanten Kraftwerken führe dazu, dass ältere, ineffizientere Anlagen länger laufen müssten. Dies führe auch zu steigenden Strompreisen, da für einen höheren Ausstoß an Kohlendioxid mehr Emissionszertifikate gebraucht würden. Das treibe die Stromerzeugungskosten in die Höhe.
Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Rainer Baake, bezeichnete die Zahlen als "Zweckpropaganda": "Während der Exportüberschuss beim Strom real von Jahr zu Jahr steigt, wird die fiktive Stromlücke der Dena immer größer." Auch der Zeitpunkt der Nachricht während der Diskussion um die künftige Energiepolitik der neuen Bundesregierung hält Baake nicht für zufällig. Es sei die "wissenschaftlich verbrämte Begleitmusik zur Absicht, Strom noch genauso produzieren zu wollen wie in den Siebzigerjahren, mit Kohle und Atom".
Baake verwies auf eine erst kürzlich veröffentlichte Studie des Bundesumweltministeriums, in der der Strombedarf und die Strommenge nicht nur über das Jahr, sondern für jede einzelne Stunde berechnet wurde. Sie habe deutlich gezeigt, dass für eine sichere Stromversorgung weder AKW-Laufzeitverlängerungen noch zusätzliche Kohlekraftwerke nötig seien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?