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Trotz Kritik am DDR-Wahlsystem: Die meisten gingen „falten“

Ost-Berlin (dpa) - In der DDR ist von offizieller Seite schon Stunden vor Schließung der Wahllokale der Verlauf der Kommunalwahlen am Sonntag als „breite Zustimmung“ für die Politik von Partei- und Staatsführung gewertet worden. Bezugnehmend auf eine Wahlbeteiligung, die nach amtlichen Angaben mittags landesweit bereits bei 93,7 Prozent lag, wertete Werner Kirchhoff, Vize-Vorsitzender des Nationalrats der Nationalen Front die Politik seines Landes als „zukunftsorientiert und erfolgreich“.

Die Wahlen fanden unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt. Dem Vernehmen nach waren zur Kontrolle und Aufrechterhaltung der Ordnung neben Polizei und Staatssicherheitsdienst auch Kräfte der sogenannten Kampfgruppen der Arbeiterklasse aufgeboten. Aus Wahllokalen in Ost-Berlin gab es vereinzelt Einschätzungen, wonach etwa bis zu 20 Prozent der Wähler die Wahlkabinen aufsuchten. Dies seien mehr als bei früheren Wahlen, heißt es in diesen Berichten. Offiziell gab es keine Angaben, wieviele Bürger zur Wahrung der im Gesetz verbrieften geheimen Wahl die Wahlkabinen aufsuchten.

Basisgruppen, Oppositionelle und Kirchengremien in der DDR hatten zuvor das Wahlsystem in der DDR kritisiert, zum Teil als „Farce“ bezeichnet und sich für die Auswahlmöglichkeit unter mehreren Kandidaten ausgesprochen. In Ost-Berlin und anderen Städten waren Flugblätter und Zettel mit Aufrufen zum Wahlboykott kursiert.

Die Mehrheit der DDR-Bürger ging an diesem Sonntag - wie früher - mit dem gefalteten Stimmzettel („falten gehen“) zur Wahlurne, ohne die Wahlkabine zu benutzen. Das Endergebnis, das neben der Wahlbeteiligung auch die gültigen und ungültigen Stimmen sowie die Gegenstimmen zum Wahlsvorschlag der Nationalen Front enthält, sollte am späten Abend veröffentlicht werden. Neinstimmen sind im Wahlgesetz nicht vorgesehen. Als Gegenstimme wird in der Regel aber akzeptiert, wenn alle Bewerber einzeln durchgestrichen werden. Anders als Michail Gorbatschow, der kürzlich bei den Wahlen in der UdSSR Wahlkabine mit Vorhang benutzte, stimmte die DDR-Staats- und Parteiführung offen ab.%% Ausführliche Berichte morgen

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