: Trockenübungen überm Schacht in Gorleben
■ Die Deutsche Gesellschaft zur Wiederaufbereitung von Kernbrennstoffen möchte bald mit der Einlagerung beginnen / Das Bundesumweltministerium hat noch keine Entscheidung getroffen / Am 25. Mai Erörterungstermin für die Konditionierungsanlage
Aus Gorleben Jürgen Voges
In dem kleinen, abgeteilten Kontrollraum, den man nach dem Einschleusen in die riesige hellgelb und grün gestrichene Halle erreicht, schreiben seit über vier Jahren zwei Drucker automatisch die täglichen Überwachungsdaten aus. Doch dort, wo nach dem Willen der „Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen“ (DWK) seit langem Meßwerte über den Strahlenpegel im Gorlebener Lager für hochradioaktiven Abfall stehen sollten, drucken die beiden Maschinen nur kleine schwarze Sterne aus. „Mit der Genehmigung im Jahre 1983 wurde uns auferlegt, das Brennelemente–Lager betriebsbereit zu halten“, sagt Professor Fröhner, der Sprecher der DWK–Tochter „Brennelement–Lager Gorleben“. „Wenn das 420 Behälter fassende Lager gefüllt wäre“, erklärt er in der Halle einer Journalistengruppe, „dann würde hier ein kräftiger Wind wehen“. Um elf Grad würde sich dann die an den Seiten in die Halle einströmende Luft an den Behältern erwärmen, bevor sie durch die Öffnungen in der Decke der Halle wieder ausströmt. Die Brennelement–Lager–Gesellschaft hat 60 Beschäftigte, doch arbeiten sieht man nur den Gärtner. Genauso menschenleer ist das andere festungsmäßig gesicherte Gelände auf der gegenüberliegenden Seite der Straße nach Gorleben. Auch die Arbeiten am sogenannten „Erkundungsbergwerk“ für das Gorlebener Endlager ruhen, seit vor einem Jahr der Schacht I einzubrechen drohte und dort in 250 Meter Tiefe ein zwölf Meter hoher Betonpropf eingegossen wurde. Nur das Faßlager, in dem sich auch die Gorlebener „Blähfässer“ befinden, ist bisher zu einem Dreißigstel gefüllt, ansonsten ist der Landkreis Lüchow– Dannenberg bisher von radioaktivem Material verschont geblieben. Doch wenn es nach Dr. Wolfgang Straßburg geht, dem für Journalisten–Betreuung zuständigen DWK–Vorstand, dann soll sich das ziemlich schnell ändern. „Wir erwarten, daß die Physikalisch–technische Bundesanstalt Anfang Juni die Einlagerungsgenehmigung für das Brennelementelager für sofort vollziehbar erklärt.“ Zwei bis zweieinhalb Monate später würden dann die ersten Behälter mit abgebrannten Brennelementen aus dem AKW Stade nach Gorleben gebracht. Doch auch Dr. Straßburg sieht da noch ein „juristisches Problem“ - man müsse natürlich für den „Sofortvollzug“ die Eilbedürftigkeit der geplanten Einlagerung nachweisen. Auch mit dem Bau ihrer Konditionierungsanlage will die DWK bald beginnen. Am 25.Mai findet in Gartow dafür der öffentliche Erörterungstermin statt. Bald weitergehen soll es ebenfalls mit dem Endlagerbau, so sagt wenigstens Gernot Grübler, der technische Leiter des Schachtprojektes. Stolz führt er seinen „Schacht III“ vor, den die in Gorleben beschäftigten Bergleute in ihrer reichlich vorhandenen freien Zeit gebastelt haben, ein Holzmodell des stäh lernen Innenausbaus, mit dem Gorlebener Bergingenieure versuchen wollen, den Unglücksschacht doch noch niederzubringen. In Holz nachgebildelt sind da 70 Zentimeter breite und 40 Zentimeter hohe Stahlringe, die vorn und hinten aus je zwei 45 Millimeter dicken Stahlblechen bestehen. Diese Stahlkonstruktion soll den enormen Gebirgsdruck auffangen, den momentan noch der Betonpfropf stabilisiert, der nach dem Unglück eingelassen wurde. Doch wenn der Beton mit Presslufthämmern entfernt und anstelle der jetzigen Schachtwand die Stahlkonstrkution eingesetzt wird, ist auch nach Meinung von Grübler Eile geboten. Die Bergleute sollen daher in Trockenübungen am Holzmodell schon vorher „das Anziehen der Schrauben an den Stahlringen trainieren“. Die Ringe müßten einigermaßen schnell angebracht werden, damit unten das Gebirge den Bergleuten nicht entgegenkäme, sagt Projektleiter Grübler und legt dabei die Stirn in Sorgenfalten. Doch in Wirklichkeit gibt es hinter den Kulissen immer noch einen Streit der Fachleute um die Ursachen des Unglück. Gegen ein Gutachten der „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“, das Schachtbauern zahlreiche Versäumnisse vorwirft, haben die PTB und die bauausführende „Arbeitsgemeinschaft Schächte Gorleben“ gerade erst eine gemeinsame Verteidigungsschrift verfaßt. Die Auskunft aus dem Bundesumweltministerium lautet klipp und klar: Über den „Zeitpunkt und die Art des Weiterbaus am Endlagerbergwerk ist nach keine Entscheidung gefallen“. Das gleiche gilt auch für die sofortige Einlagerung im Gorlebener Zwischenlager. „Wie auf dem Termin Anfang Juni hat Dr. Straßburg wohl eher seine Wünsche zum Ausdruck gebracht“, erklärt dazu der Sprecher der PTB, die die Genehmigung für sofort vollziehbar erklären muß. In Bonn jedenfalls sei dazu noch keine Entscheidung gefallen. Mobil gegen die Einlagerung hochradioaktiven Mülls macht schon die BI Lüchow–Dannenberg, gegen diese Transporte will sie erstmals offen als Bürgerinitiative zu Blockaden aufrufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen