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TriathlonMentaler Kick

Timo Bracht ertränkt seine Zweifel im Main und gewinnt die Ironman-EM. Die Topfavoriten Faris Al-Sultan und Normann Stadler haben nicht den Hauch einer Chance.

Strampeln vor der Skyline: Timo Bracht radelt den Frankfurter Hochhäusern entgegen Bild: ap

FRANKFURT AM MAIN taz Es fällt schwer, dieser Tage über eine Ausdauersportart zu berichten, ohne Doping zu erwähnen. Bei der zweiten Ironman-EM in Frankfurt wurde jedoch alles schon im Vorfeld geklärt: Die rigorose Durchsetzung einer Anti-Doping-Erklärung, die alle Athleten unterschreiben mussten, sollte einen sauberen Wettkampf sichern. Die von Veranstalter Kurt Denk konzipierte "eiserne Transparenz" wurde von den Sportlern begrüßt. Vorm Rennen erklärten die beiden Topfavoriten Normann Stadler und Faris Al-Sultan jedoch, dass sie dieses Jahr erst einmal kontrolliert worden seien. In Frankfurt gab es nach dem Rennen immerhin 28 Dopingkontrollen.

Das Rennen in Frankfurt zeigte auch, dass es im Ironman-Gewerbe wohl kaum einen Wettskandal geben dürfte. Eine Wette auf den Ausgang eines Rennens abzuschließen ist ein nicht kalkulierbares Risiko. Viele hätten vor dem Dreikampf wohl auf einen Sieger Stadler oder Al-Sultan gewettet, doch das lang angekündigte erste Duell der beiden Hawaii-Sieger fiel aus. Stadler musste nach viereinhalb Stunden und 150 Radkilometern aussteigen. Der Rücken schmerzte so sehr, dass er keine Rennhaltung auf dem Rad mehr einnehmen konnte. Ein Ausstieg ist in der Ironman-Szene freilich verpönt, und Stadlers Begründung stieß nicht unbedingt auf Verständnis: "Wenn ich Leuten hinterherfahre, die nicht an die Spitze gehören, dann macht das keinen Sinn", erklärte der sonst so starke Radfahrer. Sein Konkurrent, Al-Sultan, sagte, er habe "einfach einen schlechten Tag" erwischt. Der Münchner war froh, dass er auf dem Rad von der Verfolgergruppe eingesammelt wurde, um "mitrollen zu können". Der Hawaii-Sieger von 2005 bekannte, dass es vom Kopf her schwieriger wird, wenn der Körper nicht will, aber ein Ausstieg kam für ihn nicht in Frage. Am Ende wurde er Sechster.

Nutznießer der Misere der beiden Favoriten war Timo Bracht. Im Vorjahr noch Zweiter hinter dem Neuseeländer Cameron Brown, absolvierte Bracht diesmal ein starkes Rennen und kam in der Streckenrekordzeit von 8:09:15 Stunden ins Ziel. Der als penibler Tüftler bekannte Bracht fühlte sich dadurch angestachelt, dass alle auf Stadler und Al-Sultan schauten. Nach dem Rennen war er sicher, "dass ich auf deutschem und europäischem Boden vorne dazugehöre". Entscheidend war die Kopfarbeit, sagte Bracht. Im vergangenen Jahr hatte er bis vier Kilometer vor dem Ziel geführt, wurde von Brown überholt. Mit dem jungen Michael Göhner hatte er dieses Jahr erneut einen starken Läufer hinter sich. Doch am Sonntag, sagte Bracht, habe er seine Gedanken "nach vorn", auf den Sieg gerichtet und nicht darauf, dass er eventuell noch eingeholt werden könnte. "Alle schlechten Gedanken habe ich in den Main gekickt", sagte er und erklärte dem Zweitplatzierten, dass ein zweiter Platz wertvoller als ein erster sein kann. Göhner strahlte aber eh übers ganze Gesicht, nachdem er zunächst im Ziel zusammengebrochen war.

Dazu hatte der Nachwuchsathlet, der erst seine zweite Profisaison absolviert, auch allen Grund, verbesserte er seine persönliche Bestzeit doch um über 10 Minuten. Neben Göhner machte ein zweites Nachwuchs-Talent auf sich aufmerksam: Jan Raphael führte das Rennen bis kurz vor Ende der Radstrecke an, wurde am Ende hinter Altmeister Frank Vydrisal Vierter. Seit vergangenem Jahr werden Nachwuchs-Triathleten von der neu gegründeten Deutschen Triathlon-Stiftung gefördert. Wie sich zeigt, eine gute Idee für den Ironman-Sport in Deutschland. Hinter den Aushängeschildern Stadler und Al-Sultan stehen ambitionierte Athleten in den Startlöchern.

An Dramatik kaum zu überbieten war der Wettkampf der Frauen. Titelverteidigerin Andrea Brede und Nicole Leder lieferten sich über 35 km der Laufstrecke ein erbittertes Kopf-an-Kopf-Rennen, das erst auf dem roten Teppich hundert Meter vorm Ziel entschieden wurde. Brede zog als Erste den Sprint an, Leder konterte.

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