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Treuhand unter Rechtfertigungsdruck

■ Streit zwischen Justiz und Treuhand um »Interflug«-Ermittlungen/ Verdacht der Untreue/ Vier Maschinen für symbolischen Preis von jeweils einer Mark verkauft/ Alternative nur Verschrottung

Berlin. Zwischen der Berliner Justiz und der Treuhandanstalt ist es gestern zu einem offenen Streit um die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verkaufs von vier Flugzeugen der früheren DDR-Staatslinie Interflug zum symbolischen Preis von insgesamt vier Mark gekommen.

Während die Treuhand, von der zwei Mitarbeiter und zwei von ihr eingesetzte Liquidatoren in Verdacht geraten sind, die Untreuevorwürfe zurückwies, unterstrich die Staatsanwaltschaft die Notwendigkeit ihrer Ermittlungen. Die Justiz hatte vorgestern unter anderem Büros der Treuhand sowie Wohn- und weitere Geschäftsräume an sieben Orten in der Bundesrepublik durchsucht.

Treuhand-Vorstand Klaus-Peter Wild, Treuhand-Direktor Ludwig Tränkner und Thomas Oberle von der Kanzlei des Interflug-Liquidators Jobst Wellensiek bekräftigten ihre Auffassung, daß es bei dem Verkauf korrekt zugegangen sei. Der Sachverhalt »entbehrt eigentlich jeder Exaltiertheit«, meinte Wild. Man habe nichts zu verbergen und gehe davon aus, daß die Justiz sehr schnell einsehen werde, daß ihre Aktivitäten einen »Flop« darstellten.

Der Wert der vier zwischen 1964 und 1968 gebauten IL 18, die von einer vierköpfigen Besatzung geflogen werden müßten, sei im damaligen Zustand auf zusammen 400.000 Mark geschätzt worden. Ein Bewerber sprang ab. Die Maschinen sollten dann an die im Rahmen eines Management Buy-Out von Interflug-Mitarbeitern gebildete IL 18 Air Cargo GmbH, die heutige Ber Line, verkauft werden.

Als sich herausstellte, daß Auflagen des Luftfahrtbundesamtes Investitionen von 1,67 Millionen Mark erforderten und die Aufwendungen damit wesentlich über dem Schätzwert lägen, habe sich nur die Alternative gestellt, die Maschinen zu verschrotten oder sie anders zu übergeben.

Sie seien dann im Rahmen einer Lösung, die 90 Arbeitsplätze sicherte, für den symbolischen Preis von je einer D-Mark übereignet worden. Das Unternehmen mußte sie instandsetzen. Es befördert seit November 1991 Fracht, Post sowie Passagiere und beschäftigt heute 102 Mitarbeiter.

Justizsprecherin Uta Fölster sagte, das Ermittlungsverfahren sei aufgrund einer Anzeige vom August 1991 eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft habe daraufhin die Treuhand informiert und um eine Klärung gebeten. Treuhandvorstandsmitglied Wild bestätigte, daß ein entsprechendes Schreiben des Anzeigenden einging. Es sei aber so wirr gewesen, daß man es nicht ernst genommen habe. dpa

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