piwik no script img

Treu bei der Treuhand

■ 42 Ex-DDR-Wirtschaftsfunktionäre haben bei der Treuhand ein warmes Plätzchen gefunden

Bonn (taz) — Auf 42 Sesseln der Treuhandanstalt tummeln sich bis zum heutigen Tage hohe ehemalige DDR-Wirtschaftsfunktionäre. Dies ermittelte der SPD-Bundestagsabgeordnete Friedhelm Julius Breucher, der am Freitag in Bonn der Presse eine entsprechende Namensliste mit den jeweiligen früheren und heutigen Funktionen vorlegte. An Bundesfinanzminister Theo Waigl, so Breucher, sei die Frage zu stellen, ob er von diesem Tatbestand nichts wisse oder ob er ihn dulde — „beides ist ein Skandal.“ Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Peter Struck, erklärte dazu, die SPD „fordert die Präsidentin der Treuhandanstalt auf, diese Leute umgehend zu entlassen“. Sonst bestehe die Gefahr, daß sie auf eigene Rechnung Geschäfte zu Lasten des Steuerzahlers und des Bundes machten. Alle 42, unter ihnen drei frühere Staatssekretäre und sechs stellvertretende Minister, seien „Spitzenleute und Nomenklatur-Kader“ des SED-Regimes gewesen. Deshalb sei auch davon auszugehen, daß sie hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen seien oder zumindest eng mit der Stasi zusammengearbeitet hätten. Daß solche Leute in hohen Positionen in der Treuhandanstalt säßen, sei der Bevölkerung in den neuen Bundesländern, wo derzeit eine neue öffentliche Verwaltung aufgebaut werden müsse, nicht zu vermitteln. Struck forderte weiter, auch die Beschäftigung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter beim Bund genauer zu untersuchen.

Der Parlamentarische Staatssekretär des Finanzministeriums, Manfred Carstens, sicherte den Abgeordneten zu, eine Mitteilung darüber zu geben, „wenn Rechtsgeschäfte der in Rede stehenden Personen Anlaß zu Beanstandungen geben, die im sachlichen Zusammenhang mit deren politischer Vorbelastung stehen“. Dies werde zur Zeit von der Treuhandanstalt überprüft. Carstens betonte in einer in Bonn verbreiteten Erklärung, die Treuhandanstalt sei für ihre Personalpolitik selbst verantwortlich. Der Finanzminister habe darauf bisher keinen unmittelbaren Einfluß genommen. Die Bundesregierung dringe aber darauf, „von der Einstellung belasteter Personen Abstand zu nehmen“.

Zur Zeit würden in Bundesministerien und dem nachgeordneten öffentlichen Dienst des Bundes 3.738 ehemalige inoffizielle oder hauptamtliche Stasi-Mitarbeiter beschäftigt, berichtete der SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Schwanitz unter Berufung auf den Bericht eines Beamten des Bundesinnenministeriums. Darunter fallen mehrere tausend Mitarbeiter der Deutschen Reichsbahn.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen