Trauerfeier für erstochene Ägypterin: "Sie hat unser Leben vergoldet"
Zur Trauerfeier für die im Gerichtssaal erstochene Ägypterin Marwa E. kommen in Dresden sehr viele Nicht-Muslime. Sie wollen Solidarität zeigen. Von der Regierung sind sie enttäuscht.
DRESDEN taz | Viele derjenigen, die am Samstagnachmittag vor dem Dresdner Rathaus um die Ägypterin Marwa E. trauern, sprechen über die NPD. Und das nicht nur, weil der Mann, der die schwangere Frau im Gerichtssaal mit 18 Messerstichen tötete, angab, NPD-Wähler zu sein, sondern weil hier überhaupt nichts gegen die NPD unternommen werde, beschwert sich eine Frau.
Und Inam Sayad-Mahmood, die stellvertretende Vorsitzende des Dresdner Ausländerrates, erzählt, dass selbst sie vor kurzem von einer wildfremden Frau als Asylbetrügerin abgestempelt wurde. Die unbekannte Frau tippte Sayad-Mahmood, die ein locker gebundenes Kopftuch trägt, an, zeigte auf ein NPD-Wahlplakat und sagte: „Das bist du“. Der Slogan der NPD war: „Touristen willkommen. Asylbetrüger raus.“ Damals lebte Marwa E. noch.
Die Trauerfeier in Dresden ist auch eine Protestveranstaltung. Wie kann es sein, fragen sich viele Demonstranten, dass so eine Tat in einem Gerichtssaal, „im Haus der Gerechtigkeit“, geschehen konnte? Und warum schießt der zu Hilfe eilende Polizist nicht den Täter an, sondern den ägyptischen Ehemann des Opfers, fragt eine Seniorin. „Das fragen wir uns hier alle“, sagt ein junger Mann.
Der sächsische Justizminister Geert Mackenroth (CDU), die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Dresden, Nora Goldenbogen, der ägyptische Botschafter Ramzy Ezzeldin Ramzy und der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, sind gekommen. Von den Bundespolitikern lässt sich nur SPD-Chef Franz Müntefering blicken.
Auch Kamerateams und Journalisten aus vielen arabischen Ländern und dem Iran sind da. Knapp 80 Prozent der rund 1.500 Demonstranten sind Nicht-Muslime. Mazyek vom Zentralrat der Muslime bedankte sich für die Solidarität. Sie zeige, dass diese „islamfeindliche und frauenfeindliche“ Tat nicht geduldet werde. Gemeinsam könne man gegen „Extremisten aller Couleur“ kämpfen.
Dem Tagesspiegel sagte er, Bundeskanzlerin Angela Merkel solle sich „bitte direkt an die mehr als vier Millionen Muslime hierzulande wenden und den brutalen rassistischen Mord aus islamfeindlichen Motiven verurteilen“.
Walerius Steinhauer vom Integrationsnetzwerk für Spätaussiedler in Sachsen sagte, es sei für alle unbegreiflich, „wie ein Russlanddeutscher zum Rechtsextremisten werden konnte“. Die Älteren von ihnen seien schließlich in Russland verfolgt und vertrieben worden. Auch in Deutschland seien sie Diskriminierung ausgesetzt.
Diejenigen, die Marwa E. persönlich kannten, darunter viele ägyptische Doktoranden, sind aufgelöst. „Diese Familie hat unser ganzes Leben vergoldet“, sagt Tony Hyman, den Tränen nahe. Der Brite leitet das Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie in Dresden, an dem der ägyptische Ehemann der Getöteten forscht.
Die ausländischen Korrespondenten beschäftigt die zögerliche Reaktion der Bundesregierung auf den Fall sehr: „Wie kann das sein“, fragt sich ein ägyptischer Journalist, dass ein „so kluger“ Mensch wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in Kairo eine „wunderbare Rede“ zum Zusammenleben von Christen und Muslimen gehalten habe, bei der ersten Bewährungsprobe aber „quasi nichts beitrage“.
Auf dem Nachhauseweg stellt sich die Integrationshelferin Inam Sayad-Mahmood Fragen, auf die weder ihr Hochschulabschluss, noch ihr jahrelanges Engagement im christlich-islamisch-jüdischen Dialog eine Antwort bieten. „Was soll ich jetzt meiner Nichte sagen? Ihr die Gefahr verschweigen, damit sie unbeschwert durch die Stadt läuft? Sie warnen?“ Sie selbst habe seit dem Tod von Marwa E. leider einen anderen Blick auf die jungen Männer in Dresden. „Ich denke immer gleich: ist der stärker als ich?“
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