Trauerfeier für Thailands König Bhumibol: Abschied vom Symbol der Einheit
Mit der Einäscherung von König Bhumibol endet eine Ära. Sein Nachfolger hat sich große Macht gesichert, die Militärjunta die Rolle als Aufpasser.
Andere werfen nur einen kurzen Blick auf die Videotafel, bevor sie zum Einkaufen in der Mall verschwinden. Shoppen geht an diesem 26. Oktober, an dem eine Ära zu Ende geht, nur bis 15 Uhr. Zum Abschied vom „Vater der Nation“, der trotz zahlreicher Putsche und gewaltsamer Niederschlagungen politischer Proteste in seiner 70-jährigen Regentschaft als stabilisierender Faktor galt, schließen die Geschäfte, sind Vergnügungen und Alkohol tabu.
Dass der als Halbgott verehrte Bhumibol nach der Vorstellung der Thais an einem Donnerstag zu den Göttern auf den mythischen Berg Meru zurückkehrt, ist kein Zufall. Donnerstage stehen für Religion und Frömmigkeit und Thailand gründet sich auf den Dreiklang „Monarchie, Nation und Religion“.
„In diesem Wertesystem spielt das Volk keine Rolle“, kritisiert Vichak Panich, Autor des Buches „State, Dhamma, Confusion“. Religion ist der eine Kitt, der Thailand zusammenhalten soll. Der andere ist das „System Monarchie“ aus Militär und Elite in Bangkok.
Generäle setzten auf die Monarchie
Als Bhumibol 1946 König wurde, war die Monarchie an einem Tiefpunkt. Als in den 1950er Jahren in Südostasien kommunistische Bewegungen erstarkten, wurde die thailändische Armee mit US-Hilfe zum Bollwerk gegen den Kommunismus. Als Symbol der nationalen, antikommunistischen Einheit setzten die Generäle auf die Monarchie.
„So begann die symbiotische Beziehung zwischen Militär und Monarchie“, schreibt Thitinan Pongsudhirak vom Institut für Sicherheits- und internationale Studien in Bangkok.
Thailand ist eine durch und durch militarisierte Gesellschaft. Selbst Türsteher am Eingang zum EM Quartier tragen goldverzierte weiße Uniformen, knallen für Besucher zackig die Hacken zusammen.
Am oberen Ende der Hierarchie steht General Prayut Chan-o-cha als Chef der Junta, die sich 2014 an die Macht putschte. Bald nach dem 26. Oktober sollen die verbotenen politischen Parteien wieder agieren dürfen, im Herbst 2018 sollen Wahlen stattfinden. Vorsorglich hat sich die Junta in der Verfassung für 20 Jahre ihre Rolle als Aufpasser festgeschrieben.
Der neue König: Unbeliebt und schwer einzuschätzen
Und der neue, im Volk unpopuläre König Maha Vajiralongkorn sicherte sich mit einer von ihm durchgedrückten Verfassungsänderung eine fast absolutistische Macht. „Er hat mehr Machtbefugnisse als sein Vater“, sagt ein westlicher Diplomat in Bangkok. „Was er damit will, weiß keiner.“
König Maha Vajiralongkorn fliegt nur zu offiziellen Anlässen wie jetzt aus seinem Domizil in Tutzing bei München ein. Dort lebt der in der deutschen Presse wegen seines Hangs zum Luxus als „Prinz Protz“ titulierte Monarch mit seiner Geliebten. „Es gibt kaum eine Kommunikation zwischen der Regierung und dem König“, sagt der westliche Diplomat. „Die Elite ist zunehmend verunsichert.“
Das darf man in Thailand nicht öffentlich sagen und schreiben. Der König ist sakrosankt, geschützt durch ein harsches Gesetz gegen Majestätsbeleidigung, das die Junta massiv gegen ihre Kritiker einsetzt.
Seit einem Jahr tragen die Thais Schwarz. Es ist schwer, die Grenze zwischen echter und verordneter Trauer auszumachen. „Wer kein Schwarz trägt, muss mit Repressionen rechnen“, sagt die Mitarbeiterin eines Hotels Bangkok, die ihren Namen nicht lesen will.
Die Demokratieaktivistin Nuttaa „Bow“ Mahattana trägt auch ein schwarzes T-Shirt, auf dem eine gelbe „44“ gedruckt ist. Dieser Verfassungsartikel garantiert Juntachef Prayuth unumschränkte Macht. Bow, Moderatorin des regierungskritischen TV-Senders Voice TV 21, ist fassungslos über die Geduldigkeit ihrer Landsleute. „Die lassen sich alles gefallen. Kaum einer muckt auf, protestiert.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind