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Trauer für den „Übermenschen der Geschichte“

■ Bei den Feierlichkeiten zum Tod des iranischen Revolutionsführers Khomeini wurden acht Trauernde erdrückt und 500 weitere verletzt / Hunderttausende Iraner pilgerten zum Sarg des Ayatollah / Staatspräsident Chamenei wurde zum Nachfolger Khomeinis ernannt

Teheran (dpa/ap) - Hunderttausende von Trauernden sind am Montag aus allen Landesteilen Irans auf der Großen Gebetsstätte in Teheran zusammengekommen, um Ayatollah Ruhollah Khomeini die letzte Ehre zu erweisen. Der Ansturm war schon in den Morgenstunden so stark, daß in dem Gedränge acht Menschen zu Tode kamen und rund 500 verletzt wurden. Der Schöpfer der Islamischen Republik Iran war am Samstag elf Tage nach einer Notoperation gestorben. Bereits am Sonntag hatte nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur 'Irna‘ die aus 80 Mitgliedern bestehende Expertenversammlung auf einer außerordentlichen Sitzung nach achtstündiger Diskussion Staatspräsident Ali Chamenei zum geistigen und weltlichen Nachfolger Khomeinis gewählt.

Vor Beginn der Trauerfeierlichkeiten war der Leichnam Khomeinis von der Residenz des Revolutionsführers im Vorort Jamarran zur Großen Gebetsstätte in Teheran überführt worden. Laut 'Irna‘ säumte dabei eine unübersehbare Menschenmenge die Straßen. Etwa gegen ein Uhr Ortszeit hatten die verschlossenen Tore unter dem Druck der Massen nachgegeben und Zugang zu dem Ort des Gebetes gewährt. Die vollkommen überforderten Ordnungskräfte ließen die Menge Platz nehmen. Kurze Zeit später, als ein Leichenwagen mit den sterblichen Überresten des Imam vorfuhr, ertönte auf dem Platz ein lautes Lamentieren und Wehklagen der Trauernden. Der Glassarg wurde auf einem hohen, mit schwarzem Tuch bezogenen Podest aufgebahrt, das durch eine kleine Mauer von der Menge getrennt wurde. Beim Anblick der mit einem weißen Tuch bedeckten Leiche wurden zahlreiche Menschen ohnmächtig. Andere schlugen sich unentwegt an den Kopf oder auf die Brust und riefen in Anspielung auf den dritten politischen Imam, einen Enkel des Propheten Mohammed, „Hossein, Hossein“. Sie beteten für den Ayatollah, der bereits am Sonntag offiziell zum „Übermenschen der Geschichte“ erklärt worden war.

Die Trauernden saßen bei 34 Grad Celsius dicht aneinandergedrängt in der glühenden Hitze des Platzes; zur Erleichterung der Menschen bespritzten Sicherheitskräfte aus Tankwagen heraus die Menge mit Wasser, um weitere Ohnmachtsanfälle zu verhindern. Kostenlos wurden Eis, Obst und Getränke an die in der Sonne verharrenden Gläubigen verteilt. Unter die Menge hatten sich schon seit Sonntag nacht zahlreiche Mediziner gesellt, die am Montag morgen bereits vollkommen überfordert waren. Mehrere Polizeieinheiten wurden zudem in der ganzen Stadt stationiert. Sie sperrten die großen Hauptverkehrsstraßen ab und dirigierten die heranfahrenden Busse und Autos in Richtung Osten, wo die Fahrer in einem riesigen Chaos ihre Wagen am Straßenrand parkten, um sich zu Fuß auf den Weg zu machen.

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