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Transzendenz im Sternentor

Wer sich weder bei der „Harmonischen Konvergenz“ von 1987 noch bei den darauffolgenden „Earth Link“, „Time Warp“ oder „Chrystal Light Link“ auf höhere Inkarnationsschwingungen eingetuned hat, bekommt dazu morgen die unwiderbringliche Gelegenheit: „Sternentor 11:11“ heißt das bang erwartete Weltgeist-Festival, das den Eso&Mystik-Underground zu gleichen Teilen in Alarm und Ekstase vertsetzt.

Warum das Ganze, und ausgerechnet morgen? — uns dies zu erklären müssen die 11:11-Protagonisten ähnlich viel Mühe aufbringen wie der Missionar in Afrika, der den Zulus die Offenbarung des Johannes schmackhaft machen will. Folgt man der propagierten Eschatologie, dann ist Folgendes der Fall: Auf der Erde wandeln Scharen von Sternenmenschen, die keine Ahnung haben, wer sie sind. Das versiegelte Wissen um ihre E.T.-Herkunft ist aber in den Genen kodiert und soll nun — genau am 11.1. — wieder wachgekitzelt werden.

Denn die Zeit ist reif, daß die Sterntaler ihre Mission erfüllen, die darin besteht, den Planeten Erde aus der Gefahrenzone heraus und mit Mann und Maus auf eine höhere Oktave der Liebe und des Einsseins zu bugsieren. Das klappt aber nur, wenn sich ausreichend viele — genannt wird die Zahl von 144.000 — körperlich oder geistig an der Öffnung des Sternentors beteiligen. Sonst schnappt es nämlich wieder zu und wir schauen dumm in die kosmische Röhre, statt sie als Vehikel in pulsierende Lichtfrequenzen eines neuen, friedlichen Zentralsonnensystems genutzt zu haben. „Der Torweg 11:11 erscheint wie ein Riß zwischen zwei Welten, eine Lücke, die das innewohnende Potential des sich Verbindens beinhaltet.

Indem wir uns als eins verbinden, erschaffen wir nicht nur den Schlüssel, sondern auch den sichtbaren Torweg. So funktioniert die Lücke als ein unsichtbarer Torweg ins Unsichtbare.“ Heißt es im O-minos- Ton des Mediums Solara Antara Amaa-Ra, die, falls so etwas überhaupt geht, als Copyright-Halterin der aus höchsten Gefilden gechannelten Transzendenz-Fete betrachtet wird.

Wer macht mit? Angeblich alle, die sich aus archetypischer Tiefe gerufen fühlen, sei es, weil ihnen das Torsymbol 11:11 im Traum, in englischen Kornkreisen oder zufällig auf der Digitaluhr erschienen ist. Etliche Entschlossene versammeln sich morgen auch vor der großen Pyramide von Gizeh, um ein Sternenmandala zu tanzen. Für den 11:11-Ägypten-Trip wurde in einschlägigen Postillen seit Monaten geworben (z.B. von Power-Places-Tour und Esoterik-Urlaub 2001).

Weitere Netzwerk-Gruppen werden in ihren planetarischen Katakomben von München bis Miami dezentral mitvibrieren, je nach Geschmacksrichtung geomantisch, kabbalistisch, meditativ oder gemischt. Gelingt es den Schlüsselfiguren jetzt oder nie, den Himmelsschlund zu öffnen, wird er noch bis zum 30.Dezember 2011 offenstehen, insofern besteht zur Torschlußpanik nur bedingt Anlaß. Allen, die sich für den Eintritt in ihr Stern- selbst hier und heute gewappnet fühlen, wird geraten: „Das Wissen, daß Du ein Engel bist, der bewußt auf Erden dient, wird Deine Lasten erleichtern und Deinen Weg bereinigen.“ Fritz O'Scheen

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