Transport nach Lubmin im Dezember: Advent, Advent, der Castor ... kommt
Neue Castortransporte dürften am 15. und 16. Dezember rollen. Ziele sind das Atommüllzwischenlager Nord bei Greifswald und die russische Aufbereitungsanlage Majak.
In gut drei Wochen werden erneut Castortransporte mit hochradioaktivem Atommüll durch Deutschland rollen. Die Hinweise verdichten sich, dass bereits am 15. und 16. Dezember fünf Castorbehälter aus der südfranzösischen Atomanlage Cadarache in das atomare Zwischenlager Nord bei Greifswald transportiert werden sollen. Der SWR berichtete am Wochenende, dass die Polizei in Rheinland-Pfalz bereits einen Einsatz vorbereitet, der ihren Teil der Transportstrecke vom Grenzübergang Lauterburg bis nach Karlsruhe abdeckt.
Zuvor hatte auch die Ostsee-Zeitung den 16. Dezember als Transporttermin für den Atommüll genannt und sich dabei auf Mitglieder der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern berufen. Der strahlende Müll stammt aus dem 1979 stillgelegten Atomfrachter "Otto Hahn" und dem einstigen Atomforschungszentrum Karlsruhe. Anfang 2011 sollen die Castoren dann vom Atomzwischenlager Nord zum Gelände des stillgelegten DDR-Atomkraftwerks Lubmin gebracht werden.
Alarmiert sind Atomkraftgegner auch in Nordrhein-Westfalen. Sollten die Castoren aus Cadarache wie ursprünglich geplant erst vom 21. bis zum 23. Dezember rollen, halten sie es für denkbar, dass dann am 15. und 16. Dezember ein erster Atommülltransport aus dem Zwischenlager Ahaus nach Russland abgeht. "Für die Polizei ist bereits eine Urlaubssperre verhängt worden", so der Sprecher der Ahauser Antiatominitiative, Felix Ruwe, zur taz.
Vor dem Ahauser Zwischenlager demonstrierten deshalb am Sonntag mehrere hundert Menschen gegen den drohenden Atommüllexport, vor dem deutsche und russische Umweltschützer schon seit Monaten warnen: 951 hochradioaktive Brennelemente, die ursprünglich aus dem stillgelegten DDR-Forschungsreaktor im sächsischen Rossendorf bei Dresden stammen, sollen ausgerechnet in das ehemalige sowjetische Atomkombinat Majak gebracht werden.
Dabei hat die marode Atomanlage bei diversen Störfällen ähnlich viel Radioaktivität freigesetzt wie der Super-GAU von Tschernobyl. Erst am Donnerstag hatte der ehemalige Chefinspektor der russischen Atomanlagen, Wladimir Kusnezow, gegenüber dem ARD-Politmagazin "Monitor" gewarnt, noch heute werde in Majak radioaktiver Abfall über das Abwassersystem in die Umwelt gespült.
Immer mehr Bundesländer wollen deshalb ihre Häfen für die geplanten drei Castortransporte nach Russland sperren. Nachdem bereits das rot-grün regierte Bremen wie der schwarz-grüne Hamburger Senat ihr Veto eingelegt haben, hat Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Innenminister Lorenz Caffier nachgelegt: "Der Atommüll soll nicht über einen unserer Häfen verschickt werden", sagte er nach der Innenministerkonferenz (IMK) in Hamburg.
Auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger bekräftigte die ablehnende Haltung seiner rot-grünen Landesregierung: Derzeit gebe es schlicht kein "verantwortbares Transport- und Entsorgungskonzept für Atommüll". Zudem ist aus Düsseldorf zu hören, dass Jägers Ministerium den IMK-Beschluss, dass keine Castortransporte in Länder mit einer unsicheren Atommülllagerung erfolgen sollen, auch als Absage an den Export nach Russland versteht.
Die Antiatombewegung beruhigt das nicht. Die Umweltorganisation Greenpeace warnt bereits, der Atommüllexport könne der Einstieg in die Endlagerung des deutschen Atommülls in Russland sein: Das russische Parlament berate aktuell über ein Verfahren, mit dem flüssiger radioaktiver Abfall aus der Wiederaufbereitung deutschen Atommülls in großen Mengen einfach in den Boden gepumpt werden soll.
Nötig sei deshalb die Offenlegung sämtlicher Geheimverträge um die Lieferung nach Majak, fordert Greenpeace-Atomexperte Tobias Münchmeyer: "Atommüll in ein Land zu schicken, das radioaktive Abfälle einfach unter die Erde pumpt, ist wahnwitzig."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen