Transferexzesse in China: Gerechtigkeit, süß-sauer
Über Ball und die Welt
von Martin Krauss
Die jüngste Meldung aus China lautet: Der Staat greift ein, weil die Summen, die Erstligaclubs für Profikicker ausgeben, jedes Maß verlieren. Der Brasilianer Oscar ging jüngst für angebliche 71 Millionen Euro in die Volksrepublik, der Argentinier Carlos Tevez soll in zwei Jahren 80 Millionen Euro verdienen, und Cristiano Ronaldo hat – so behauptet es zumindest sein Berater – ein Angebot von über 100 Millionen Euro Jahresgehalt ausgeschlagen. Ein Sprecher der Zentralen Sportbehörde sprach nun von „irrationalen Investitionen“.
Bis zu dieser Meldung lautete die Erklärung, warum die Vereine so viel ausgeben, dass der Staat, namentlich Präsident Xi Jinping, die Vorgabe erteilt habe, den chinesischen Fußball nach vorne zu bringen – bis hin zum Gewinn einer Fußballweltmeisterschaft. „Der irrationale Wettbewerb im Fußballmarkt hat teuflische Früchte hervorgebracht“, heißt es aber jetzt seitens der Behörde. Beklagt werden „immer höhere und höhere Gehälter für große Fußballnamen aus dem Ausland, ein immer niedrigeres Niveau der Ligaspiele und eine Verschlechterung des gesamten Fußballs“.
Gewiss, das kann man so sehen. Aber die Begründung, warum in erstaunlich kurzer Zeit die Gehälter, die im chinesischen Fußball bezahlt werden, derart nach oben geschossen sind, wurde noch nicht relativiert: Seit mit Guangzhou Evergrande 2013 zum ersten Mal ein chinesischer Klub die asiatische Champions League gewonnen hat, gilt in der Super League die Erfolgsformel, dass nur ausländische Spieler und ausländisches Know-how dem Fußball auf die Beine helfen. Italiens Weltmeistertrainer Marcello Lippi stand an der Linie, und auf dem Platz kickten Weltklasseprofis wie Darío Conca, Lucas Barrios oder Elkeson.
Verbranntes Geld
Die Vermutung, dass hier „Geld verbrannt“ wird, wie es die staatliche Sportbehörde formuliert hat, mag naheliegend sein, aber aus dem europäischen Klubfußball weiß man, dass sich Millionentransfers oft gerechnet haben. Und aus dem chinesischen Klubfußball ist zu hören, dass die Fernsehrechte der Super League über den Zeitraum von 2016 bis 2020 für umgerechnet 1,25 Milliarden US-Dollar verkauft wurden.
Erfolge von Evergrande
Zudem haben sich in den letzten Jahren chinesische Investoren auch für europäische Klubs interessiert: Am FC Liverpool war eine Gruppe interessiert, Inter Mailand gehört einer chinesischen Gruppe, der chinesische Milliardär Wang Jianlin ist mit 20 Prozent an Atlético Madrid beteiligt, und der Premier-League-Klub West Bromwich Albion gehört der chinesischen Firma Guochuan Lai.
Die Erfolge von Guangzhou Evergrande und die enorme Bereitschaft chinesischer Konzerne, in den internationalen Fußball zu investieren, haben es plausibel gemacht, dass China auch daheim groß investiert. So gesehen mutet der Versuch der chinesischen Sportbehörde populistisch an. Die traurige ökonomische Wahrheit lautet, dass das Hantieren der chinesischen Klubs mit unglaublich anmutenden Offerten erstaunlich rational ist. Bisher stimmen nämlich die Ergebnisse; da wäre es nicht einleuchtend, warum der eingeschlagene Weg verlassen werden sollte.
Dass diese Gehälter alle ungerecht sind, wie ein beliebter Einwand lautet, ist ja richtig – aber auch ein halbiertes, ein gevierteltes oder ein gezehnteltes Gehaltsangebot an einen Weltstar wäre dies noch. Und ein Ronaldo kam ja noch nicht mal für 100 Millionen pro Jahr. „Gerechtigkeit“ ist keine Kategorie im Sport, warum sollte sie es ausgerechnet im chinesischen Profifußball sein?
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