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Tragisch bis ekstatisch

■ „Bauakademie: Ein Berlin-Projekt“ in der Hamburger Fachhochschule

Berlins Mitte ist öd. Es mangelt nicht nur an Geldern, sondern auch an schlüssigen Ideen zur Nutzung und Gestaltung des prominentesten Platzes der Republik. Einige freut wenigstens letzteres ein bißchen: die Architekten. Im nächsten Jahr sollen Bauwettbewerbe zur Neugestaltung der Spreeinsel durchgeführt werden, und dann können sich die Planer ihre Finger wund entwerfen. Die Architekturstudierenden des fünften und sechsten Semesters der Hamburger Fachhochschule haben dies bereits getan. Heute Abend präsentieren sie ihre Ideen für die Zukunft Berlins.

„Berlin stellt zur Zeit den Brennpunkt Deutschlands dar, was das Bauen betrifft. Durch die bewegte Geschichte der Stadt gibt es keine klar strukturierte städtebauliche Entwicklung“, erläutert Architekturstudent Thorsten Schütze, warum sich die Hamburger gerade der Probleme unserer neuen Hauptstadt angenommen haben.

Herausgekommen sind zum Beispiel ein Planetarium oder eine Auffaltelung des Schloßplatzes, wobei die Oberlichter der unterirdischen Gebäude wie Eisbergspitzen aus dem Boden brechen. Ein Entwurf zeigt ein neues „Haus der Kulturen der Welt“, halb im Boden versenkt. Der Grundriß erinnert an einen fallengelassenen Spiegel. Die Splitter bilden Sitz- und Bühnenelemente, die vollautomatisch per Hydraulikstempeln ausgefahren werden können. Die Entwürfe werden als Zeichnungen und Modelle zu bestaunen sein.

Eine zusätzliche Ebene bringt besondere Spannung in den Abend. Ein Experiment, das nicht nur für die Besucher, sondern auch für die Studenten selbst die Architektur von einer anderen Warte aus spürbar machen soll. Der Komponist Dominique Goris wird zu Entwurfszeichnungen am Flügel improvisieren. Die Parallele zwischen Architektur und Musik sieht Goris darin, daß beide Disziplinen abstrakte Vorgänge konkret wirksam machen, auf der rationalen und der emotionalen Ebene.

Die Halle D des Fachbereichs Architektur in der City Nord geht ganz sicher aufs Gemüt, ihr depressiver Einfluß soll aber dank gefühlvollen Lichtdesigns weitgehend ausgeblendet werden. Von den musikalischen Beiträgen spielt besonders eine Tremolo-Improvisation mit der Psyche der Menschen. Goris: „Ein übervirtuoses Stück mit kontrapunktisch laufenden Obertonreihen. Es öffnet Räume, die durch die Verdichtung und das Metrum gestützt werden.“ Sinnlich und spannungsvoll von tragisch bis ekstatisch erinnern die Stücke in ihrer Virtuosität an Strawinsky. Durch diese Verknüpfung der akustischen und visuellen Welten soll den Besuchern ein neues Verständnis für architektonische Ausdrucksformen nahegebracht werden. Ilka Fröse

19.30 Uhr, Halle D der Fachhochschule HH, Fachbereich Architektur, Hebebrandstraße 1

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