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Tradition auf den Färöer-InselnWalmassaker als Volksfest

Obwohl das Fleisch ungenießbar ist und die Gesundheitsbehörde vor dem Verzehr warnt, bleibt es bei der blutigen Tradition der regelmäßigen Schlachtung von Grindwalen.

In großen Gruppen leben die Grindwale in nördlichen Gewässern – das macht sie zu beliebten Fangopfern. Bild: dpa

STOCKHOLM taz Das Fleisch gilt wegen der Belastung durch Umweltgifte eigentlich als Sondermüll. Trotzdem wird auf den zu Dänemark gehörenden Färöer-Inseln im Nordatlantik die blutige Jagd auf Grindwale fortgesetzt. Fischer trieben eine Herde von rund 100 Walen von der See aus in eine Bucht vor dem Ort Hvannasund, wo die Tiere einzeln mit Fanghaken ins seichte Gewässer gezogen und mit Messern geschlachtet wurden. Eine traditionelle, aber von TierschützerInnen längst als barbarisch verurteilte Jagdmethode.

Früher war die auf die Wikingerzeit zurückreichende Grindwaljagd für die BewohnerInnen der kargen "Schafs-Inseln" eine Voraussetzung, um hier überhaupt überleben zu können. Heute jedoch hat das Fleisch seine Bedeutung für die Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung fast vollständig verloren. Zwar wird es nach dem Schlachten immer noch zu gleichen Teilen kostenlos an sämliche BewohnerInnen des Dorfs oder der Insel verteilt. Doch hat das Ritual des Grindadráp - übersetzt: Grindtötung - nunmehr vor allem den Charakter eines bunten Volksfests.

"Die Brutalität, mit der hier die Meeressäuger abgeschlachtet werden, ist vergleichbar mit den Delfin-Massakern, die jedes Jahr vor der japanischen Küste stattfinden", kritisiert Ulrich Karlowski von der Gesellschaft zur Rettung der Delfine.

Vor allem aber tun sich die Färinger keinen Gefallen damit, das Fleisch tatsächlich zu essen. Schon in den letzten Jahren hatte die Gesundheitsbehörde der Färöer allenfalls einen Verzehr von nicht mehr als zweimal jährlich empfohlen und Schwangeren wegen möglicher Schädigungen des Fötus ganz davon abgeraten. Vor einem Monat warnte sie, das Fleisch sei mittlerweile derart von Umweltgiften belastet, dass es aus medizinischer Sicht für menschlichen Genuss gänzlich ungeeignet sei. "Es ist sehr bedauerlich, dass wir diese Empfehlung geben müssen. Grindwale haben viele Färöer über Jahrhunderte hinweg am Leben erhalten", erklärte die Behörde damals.

Die Tiere, die am Ende der Nahrungskette stehen, sind so massiv mit Umweltgiften wie Quecksilber, PCB, Kadmium und Pestiziden vollgestopft, dass den FleischkonsumentInnen bleibende gesundheitliche Schäden drohen. Schon im Jahr 2000 hatte eine Langzeitstudie eine auffallend hohe toxische Belastung der BewohnerInnen der Färöer nachgewiesen.

Zu einem regelrechten Verbot des auch auf den Inseln kontrovers diskutierten Grindwalfangs konnte sich die Regierung bislang aber nicht durchringen. In den letzten Jahren waren jeweils zwischen 600 und 1.000 der bis zu acht Meter langen und durchschnittlich eine Tonne schweren Grindwale beim Grindadráp geschlachtet worden.

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7 Kommentare

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  • T
    Tierfreund

    Es ist wieder ein Jahr vergangen - aber an der Praxis der sinnlosen Abschlachtung dieser Wale hat sich nichts geändert.

     

    Natürlich ist es inkonsequent, das Schlachten der Wale zu verurteilen, das Schlachten der Hühner, Schweine und Rinder aber nicht.

     

    Dennoch wäre ich glücklich, wenn zumindest dieses Massaker endlich verboten würde - gleichzeitig appeliere ich an alle Mitleser, auch die Massaker an den sog. Nutztieren endlich der Vergangenheit angehören zu lassen, indem ihr Schritt für Schritt den Konsum von Fleisch und anderen Tierprodukten aufgebt.

    Nur Mut!

  • BV
    Baldur von Walschutz

    Das Fleisch ungeniessbar, vor dem Verzehr wird gewarnt und trotzdem: Ist ähnlich der ganzen Insel: reizlos, unnütz - man sollte das Ding samt Walschlachtern wegen sportlicher Wertlosigkeit zum Gaudium der Welt versenken. Das wär mal was!

  • W
    Waldstein

    Zwischen dem Walfang auf den Färöern und der Nutztierhaltung in Europa besteht der Unterscheid, dass die Nutztierhaltung für die Ernährung der Menschen erforderlich ist. Damit will ich die ekelhaften Methoden der industrialisierten Nutztierhaltung keinesfalls gutheißen. Diese gehören genau so bekämpft.

     

    Die unsinnigen Walschlachtereien im Namen der Tradition (wie ich dieses Wort liebe: Beschneidung von Mädchen in Afrika ist Tradition, Kinderarbeit in Indien ist Tradition) sind aber auch insofern Gefährlich, als Japan in der Internationalen Walfangkommission eine aggressive Argumentation führt, dass der traditionelle Walfang in Europa geduldet, der in Japan jedoch verboten werde. Japan hat daher schon mehrfach gedroht, aus der Walfangkommission auszutreten. Was das bedeuten würde, kann sich jeder denken: Die faktische Ausrottung der großen Wale.

  • E
    emil

    Obwohl ich aktiver Walschützer bin, finde ich die alljährlich heruntergebetete Kritik an dieser Tradition teilweise fragwürdig. Früher wurde das Walfleisch - ebenso wie bei vielen Inuit - tatsächlich gegessen oder das Fett als Brennstoff für Lampen benutzt, aber der andere Effekt ist aus Sicht "arachaischer" Kulturen ebenso rational, nämlich die Konkurrenten um gemeinsame Nahrung (Fisch!) zu reduzieren.

     

    Das geschieht übrigens auch sonst in der Natur oft - weshalb hier gerade viele Natur-Freaks ein bisschen inskonsequent sind, da doch der Mensch auch nur ein Tier ist. Heutzutage wäre es aber "eigentlich" möglich, sich (als Mensch) fast vegan und trotzdem ausgewogen zu ernähren.

     

    Ein bisschen unverhältnismäßig finde ich die Kritik außerdem insofern, als die millionenfachen Massaker in Schlachthöfen und die Zwangskastrationen (von fast allen männl. Ferkeln & vielen Rindern) in Ställen, quälerische Haltung & Transporte etc. nicht einmal annähernd so viel Aufmerksamkeit erregen, und das, obwohl z.B. Schweine und Rinder nach heutigem biol. Wissensstand (z.B. Größe der Gehirnoberfläche als Kriterium) ein ähnlich "großes" Bewusstsein haben wie Wale.

  • S
    Steffi

    Ich finde, es sollte auch aufgegessen werden, was erjagdt wird. Mindestens soviel, dass man die Leber des Essers oder der Esserin als Batterie benutzen kann. Ein 200 Gramm Steak sollte reichen.

  • A
    Antonietta

    Durch Jahrzehnte lang andauernden Walfang wurden viele Wal- und Delfinarten an den Rand der Ausrottung gebracht. Auch heute sind diese faszinierenden Meeressäuger immer noch der Bejagung und zusätzlichen Belastungen ausgesetzt. Meeresverschmutzung, durch Boote und Unterwasserbohrungen verursachter Lärm, Verlust ihres Lebensraumes, Beifang in Fischnetzen und die globale Erwärmung, die unsere Meere verändert, sind einige der vom Menschen verursachten Bedrohungen.

  • MK
    Markus Kretschmann

    Die Krone der Schöpfung - genannt Mensch - hat sich Gott sicherlich anders vorgestellt. Aber er hat dem Menschen den freien Willen gegeben und gelassen. Dass dann auch solche Auswüchse dabei herauskommen ist leider die andere Seite der Medaille. Können solche Taten vor dem Europäischen Gerichtshof angeklagt werden? Vielleicht findet sich ja ein zahlungskräftiger Mensch mit einem klugen Anwalt, der das versucht. Ich würde es unterstützen. Ich bin traurig ob solcher Nachrichten.