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■ Tour d'EuropeInteressenpolitik statt Demokratisierung

Mehr als fünf Jahre nach dem Sturz der kommunistischen Diktaturen herrscht in keinem der osteuropäischen Länder irgendwelche Klarheit über Vergangenheit und Gegenwart der Geheimdienste. In Rußland ist der einstige KGB kürzlich zum dritten Mal umbenannt worden; er trägt heute den Namen „Föderaler Sicherheitsdienst“ und hat – ganz offiziell – nahezu unbeschränkte Machtbefugnisse erhalten.

Der „Föderale Sicherheitsdienst“ darf ohne Durchsuchungsbefehl jederzeit überall eindringen, nach Belieben eigene Unternehmen und Organisationen betreiben, ist lediglich dem Präsidenten unterstellt, kann vom Parlament praktisch nicht kontrolliert und von der Staatsanwaltschaft nicht angeklagt werden.

Was in Rußland heute auf dem Papier steht, ist anderswo in Osteuropa nicht legalisierte Praxis. In Polen wird dem Staatspräsidenten Lech Walesa vorgeworfen, den Geheimdienst für seine Zwecke instrumentalisiert zu haben. Im Zusammenhang damit machte im September 1993 der „Fall Hodysz“ Schlagzeilen: Adam Hodysz, der wohl einzige kommunistische Geheimdienstler in Osteuropa, der vor 1989 illegal mit der Bürgerrechtsopposition zusammenarbeitete, wurde als Chef der Danziger Sicherheitspolizei abgesetzt – vermutlich weil er zu Walesas Kritikern zählte.

In Ungarn sorgt derzeit eine Überwachungsaffäre für Schlagzeilen: Die im letzten Jahr abgewählte Regierung des „Ungarisch- Demokratischen Forums“ (MDF) soll in mehreren hundert Fällen illegal Personen haben überwachen lassen, darunter eigene kritische Parteimitglieder sowie Mitglieder der Koalitions- und Oppositionsparteien.

In Rumänien arbeiten neben dem Rumänischen Informationsdienst offiziell mindestens fünf weitere, nach anderen Angaben sogar acht Geheimdienste, die dem Parlament bislang keine Rechenschaftsberichte vorgelegt haben.

Auch Bulgarien verfügt mindestens über vier Geheimdienste, die Zahl ihrer Mitarbeiter ist unbekannt, einer von ihnen war in den Sturz der antikommunistischen Regierung Dimitrov im Oktober 1992 verwickelt.

In der seit 1990 unabhängigen Republik Moldova mit ihren nur 4,3 Millionen Einwohnern existiert immer noch ein einheitliches „Ministerium für Staatssicherheit“; der Staatspräsident kann zusätzlich über einen eigenen Geheimdienst verfügen. Anfang Mai dieses Jahres wurde in Moldova ein weiterer Geheimdienst ins Leben gerufen. Sein furchterregender Name: „Wachdienst der Obersten Organe der Staatsverwaltung der Republik Moldova und ihrer offiziellen Personen“. Die Gesetzesgrundlage wird demnächst vom Parlament der Republik nachgereicht.

Keno Verseck

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