Tom Jones über sein neues Album: "Du musst deinen Stil bewahren"

Im besten Rentenalter wagt Tom Jones auf seinem neuen Album plötzlich Neues: Songwriting! Ein Gespräch über Amy Winehouse, fünfzig Jahre Ehe, mordende Tiere und seine Heimat Wales.

Feierte mit "Sexbomb" seinen größten Erfolg: Tom Jones. Bild: ap

Mr. Jones, lassen Sie uns über Ihr neues Album sprechen. Sie waren das erste Mal richtig ins Songwriting involviert. Warum hat es so lange gedauert, den Interpreten Tom Jones dazu zu bewegen, ein Album mit eigenen, ziemlich persönlichen Songs einzuspielen?

Tom Jones: Notwendigkeit. Vor allem in den Sechzigern ist mir ständig wie von selbst interessantes Material in die Hände gefallen. Es gab eigentlich immer eine Unmenge großartiger Songs, die förmlich danach schrien, neu interpretiert zu werden. Heute ist das irgendwie anders. Ich habe den Eindruck, dass es einfach nicht mehr so viele großartige Songs gibt. Nehmen sie zum Beispiel "Kiss" von Prince. Als ich das Stück damals zum ersten Mal hörte, wusste ich sofort, das ich diesen Song singen muss, ihm meinen Stempel aufdrücken, oder wie immer man es nennen will. Entweder, es gibt diese aufregenden Songs zur Zeit nicht mehr - oder ich bekomme von der neuen großartigen Musik einfach nichts mehr mit. Auf "24 Hours" gibt es insgesamt nur zwei Coverversionen. Der Song "The Hitter" ist im Original von Springsteen, und "I'm Alive" wurde, glaube ich, das erste Mal von Tommy James & The Shondells gesungen. Ich wollte aber kein ganzes Album auf diese Art produzieren, sondern mich selber mehr einbringen. Das habe ich im Grunde Bono von U2 zu verdanken. Vor ein paar Jahren saßen wir zusammen und ich fragte ihn, ob er nicht mal Lust hätte, mir einen Song zu schreiben. Er meinte: "Okay, aber ich möchte dann wirklich Input von dir haben. Ich will nicht einfach irgendeinen Song für dich schreiben. Du bist Tom Jones, Mann! Ich möchte einen Song über den wahren Tom Jones schreiben. Einen Song, der rauskitzelt, was in dir steckt". Das hatte zur Folge, dass auch die anderen Songwriter, mit denen ich arbeite, zum Teil wirklich sehr persönliche Geschichten von mir in die Songs gepackt haben. Ich habe da sehr viel mitgearbeitet. Deshalb steckt in dieser Platte weit mehr von mir drin als in meinen vorherigen Alben.

"24 Hours" wurde von dem Produzententeam Future Cut produziert, das aus Kate Nash, Lily Allen, Estelle und Dizzee Rascal besteht. Es ist nicht das erste Mal, dass Sie mit jungen britischen Künstlern zusammen gearbeitet haben. Bereits auf "Reload" gab es Kollaborationen mit walisischen Musikern wie James Dean Bradfield von den Manic Street Preachers, Cerys Matthews oder den Stereophonics. Sie scheinen trotz Ihres langjährigen Exils in den USA sehr heimatverbunden geblieben zu sein.

Bei "Reload" war es so, dass ich die meisten dieser jungen Bands und Künstler irgendwann mal im Fernsehen gesehen hatte und dachte, mit denen muss ich unbedingt etwas machen. Es waren allesamt Künstler, die genau den gleichen Drang verspürten, Musik zu machen, wie ich ihn in meinen jungen Jahren verspürt hatte. Natürlich bringt es auch Publicity, wenn ein, sagen wir mal, etwas älterer Sänger wie ich mit einer jungen aufstrebenden Band aus seiner Heimat zusammenarbeitet und dabei etwas für beide Seiten Ungewöhnliches entsteht. "Reload" war gewissermaßen ein Konzeptalbum. Die beteiligten Künstler haben mich inspiriert - und ich sie. Bei den Aufnahmen des neuen Albums war es eher so, dass ich die Inspiration bei mir selber suchen musste. Ich wollte ein Album haben, dass originär nach mir klingt. Amy Winehouse hat kürzlich vorgemacht, wie man traditionelle Soulmusik mit einer modernen Produktion verbinden kann. Es hat wundervoll funktioniert, auch wenn manche Leute ihr vorwerfen mögen, ihre Musik klinge wie aus den Sechzigern. Sie benutzt alte klassische Arrangements und hat einen althergebrachten Gesangstil, wie die großen Souldiven von damals, aber ihre Musik klingt trotzdem zeitlos und modern. Wenn man heute als älterer Musiker noch Erfolg haben möchte, muss man sich junger und frischer Produzenten bedienen und neue Sounds und Methoden verwenden. Trotzdem musst du deinen Stil bewahren. Meine Stimme ist immer dieselbe geblieben, sie ist sehr markant, und man kann sie jederzeit heraushören. Sie wird immer mein Markenzeichen bleiben. Deshalb wird es auch immer, egal wer meine Musik produziert, diesen typischen Tom-Jones-Sound geben.

Wie trainieren Sie eigentlich Ihre Stimme, dass Sie es schaffen, einen ganzen Abend lang diesen vollbrüstigen tief sitzenden Gesangsstil durchzuhalten? Ein normaler Mensch bräuchte da nach einem Lied eine Sauerstoffmaske.

Das ist gar nicht so schwierig. Das liegt wohl auch an meiner Herkunft. Die Waliser haben oft ein solch ausgeprägtes Stimmvolumen. Hören Sie sich mal andere walisische Sängerinnen und Sänger an. Oder hören Sie den Leuten in den dortigen Bars zu. Die haben wirklich alle ein gewaltiges Organ. Mein Gesang ist sehr walisisch geprägt, auch wenn ich nicht in dieser Sprache singen mag. Aber natürlich muss man darüber hinaus auch das Singen immer ein bisschen üben.

Sie werden in schöner Regelmäßigkeit zum weltgrößten Womanizer gekürt, sind andererseits aber seit fünfzig Jahren mit derselben Frau verheiratet. Wie geht das eigentlich zusammen?

Meine Frau und ich, wir kennen uns schon, seit wir Kinder sind. Aber als kleiner Junge habe ich mich halt noch nicht so wirklich für Mädchen interessiert. Als Junge ist man ja eher dumm und mit lauter Jungssachen beschäftigt. Das mit der Liebe kam also erst später. Irgendwann habe ich gemerkt, was für eine unglaublich tolle Frau sie ist und sie dann auf der Stelle geheiratet. Seitdem sind wir zusammen, und es ist toll. Sie hat mich immer wieder auf den Boden zurückgeholt, wenn Gefahr bestand, dass ich mal abhebe.

Sie haben in Ihrem Leben auch noch nie Drogen genommen, oder?

Nein, das brauchte ich nie. Drogen sollte man auch auf jeden Fall vermeiden. Drogen sind böse und haben im Leben eines denkenden Menschen wirklich nichts verloren.

Wird man nicht irgendwann müde, wenn man über einen solch langen Zeitraum Musik macht und immer wieder die gleichen Rituale erlebt?

Nein, ich liebe dieses ständige On-the-road-sein. Es gibt nichts Schöneres, als durch die Welt zu reisen und Menschen mit seiner Musik zu beglücken. Man sollte sowieso versuchen, Länder, Leute und Sitten kennen zu lernen, nicht nur als Musiker. Das ist übrigens ein sehr walisisches Ding. Die Waliser neigen nämlich dazu, sich viel und vor allem sehr laut zu unterhalten, und immer alles von den Leuten wissen zu wollen.

Okay. Viel reden und viel reisen. Was kann man sonst noch über das Leben lernen, wenn man im friedlich bukolischen Wales aufwächst?

Oh, man kann in Wales eine Menge über das Leben lernen, vor allem über die Natur und ihre Gesetze. Wie die Natur funktioniert. Ich hatte in Wales ein Haus mitten im Grünen, ein paar Kilometer von Cardiff entfernt, und war immer viel draußen unterwegs gewesen. Ich habe gelernt, dass es in der Natur immer nur um das Überleben geht. Die ganze Zeit. Dass es dabei manchmal ganz schön brutal zur Sache gehen kann. Dass Tiere ebenso wie Menschen schnell mal zu Mördern werden können.

Tiere werden zu Mördern? Aber doch nicht im schönen Wales!

Doch. Sie glauben gar nicht, was es alles gibt. Ich habe selbst im friedlichen Wales schon Spatzen gesehen, die versucht haben, sich gegenseitig die Augen auszuhacken. Es gibt eine Menge Brutalität in der Natur. Tja, so etwas kann man im beschaulichen Wales lernen. In L.A. gibt es das natürlich auch, nur dass es hier meistens die Menschen sind, die sich gegenseitig umbringen.

Sie leben seit Jahren in Los Angeles, beruflich halten Sie sich häufig in Las Vegas auf. Planen Sie denn schon, Ihren Alterswohnsitz in die gemütliche Heimat zurückzuverlegen?

Vorstellen kann ich mir natürlich viel. Aber in den USA lebt es sich ganz gut, ich fühle mich wohl dort.Wales hat natürlich auch seine Reize. Es ist ruhiger, das Land ist landschaftlich gesehen mit nichts anderem vergleichbar. Wenn du von England aus nach Wales kommst, merkst du sofort, dass du in einem völlig anderem Land bist. Das liegt aber auch nicht nur an der hügeligen und grünen Landschaft. Alles ist völlig anders aus, die Gebäude, die Häuser, sogar die Menschen und ihre Sprache.Wales ist auf eine positive Art und Weise sehr eigenartig. Ich mag es, zurück zu kommen und alles so wieder zu finden, wie ich es noch aus meiner Kindheit kenne.

INTERVIEW: SEBASTIAN INGENHOFF

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