„Tolstefanz„-Türsteher wollten Helden spielen

■ Zweiter Tag im Totschlag-Prozeß gegen Hans-Joachim U. / Tödlicher Streit vor „Tolstafanz„-Discothek war vermeidbar

Moabit. Die Türsteher der „Tolstefanz„-Disco hatten die Waffe von Hans-Joachim U. gesehen, bevor sie sich mit ihm prügelten. Dies bezeugte gestern der 31jährige Peter Z., der damals in der Nacht auf den 27. August der Türsteher war, dem Hans-Joachim U. in den Oberschenkel schoß. Türsteher Andreas Briesenick wurde im Laufe der Schlägerei von Hans-Joachim U. erschossen. Vor der Moabiter Schwurgerichtskammer erklärte Peter Z., daß es keinen Grund gab, sich mit Hans-Joachim U. zu prügeln, außer die Waffe selbst, die Z. und Briesenick einkassieren wollte.

Damit bestätigt Z. in großen Teilen die Aussage des Angeklagten. Der hatte am vergangenen Montag behauptet, daß sein Freund nicht in die Disco gelassen wurde, weil dieser betrunken war. Beim Weggehen sei er dann auf dem Fußweg vor der Disco plötzlich von hinten in den Würgegriff genommen worden.

Erst hier beginnen die Darstellungen, sich zu unterscheiden. Hans-Joachim U. schilderte am vergangenen Montag, daß er dann getreten und geprügelt worden sei. Aus dem Würgegriff konnte er sich nicht befreien, bekam Atemnot, zog dann die Pistole und schoß auf Peter Z. Briesenick soll den Würgegriff darauf weiter zugezogen haben, so daß Hans -Joachim U. schwarz vor Augen wurde. Erst dann hätte er ungezielt nach hinten auf Briesenick geschossen, den er tödlich in die Brust traf.

Peter Z. behauptet dagegen, daß Hans-Joachim U. geschossen habe, bevor er von Briesenick in den Würgegriff genommen wurde. Auch hätten weder er, noch sein Kollege, auf den abgewiesenen Disco-Besucher eingeschlagen. Zu der Auseinandersetzung ist es aber auch nach Z.s Aussage erst gekommen, als Hans-Joachim U. schon von der Disco wegging. Da haben sie U. vor der Kasse entweder mit der Pistole herumfuchteln sehen, oder aber die Waffe unter dessen Pullover im Hosenbund entdeckt. Anstatt die Polizei zu verständigen, wollten „wir uns den holen und dem die Knarre abnehmen“. Beide hätten befürchtet, daß U. „Ärger machen wolle“. Z. habe Briesenick dabei zurückgehalten, weil dieser häufig „überzogen“ hätte.

Auch auf Nachfragen des Richters konnte sich Peter Z. nur erinnern, daß Briesenick zwar schon vorher „in Schlägereien verwickelt war“, an denen soll er allerdings keine Schuld gehabt haben. Peter Z. will angeblich nicht wissen, daß sein ehemaliger Kollege (nach Zeugenaussagen) „ohne Rechtfertigung“ einen Disco-Gast zusammengetreten hat, und ihm dabei das Nasenbein brach. Auch ist ihm nichts von dem Vorfall bekannt, bei der „Tolstefanz„-Türsteher offenbar auch grundlos einen Gast mit Fäusten, Knüppeln und einem Barhocker verprügelten. Wie brutal die Türsteher waren, ist möglicherweise für die Glaubwürdigkeit von Hans-Joachim U.s Aussage wichtig. Seine Anwältin plädiert in dem Prozeß auf Notwehr.

U. hatte damals einen Tag Hafturlaub. Er hatte bis Ende März diesen Jahres eine Haftstrafe wegen Einbruchs abzusitzen, und nicht wie wir - aufgrund einer 'dpa'-Meldung - in der Dienstag-Ausgabe berichteten wegen Erpressung.

Dirk Wildt