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Archiv-Artikel

Toleranz übt sich in der Ferne am schönsten

Der „Deutsche Verein vom Heiligen Lande“ organisiert Reisen nach Israel und Palästina. Die Nachfrage ist groß. Auch unterstützt der Kölner Verein soziale Projekte vor Ort und redet gern von interreligiöser Erziehung und Versöhnung

KÖLN taz ■ Es ist so schön im Heiligen Land, man möchte sofort hinfahren. Gelegenheiten gäbe es genug. Das Pilgertreffen des „Deutschen Vereins vom Heiligen Lande“ am Sonntag im Maternushaus war auch Reisebörse. Der Kölner Verein informierte über Gruppenfahrten in die Bibelgebiete und zeigte Kontrastbilder zum wöchentlichen TV-Elend aus Tel Aviv oder Ramallah. Wie in der Toskana umstehen Zypressen den See Genezareth, sanft wellt sich das judäische Hügelland im Sonnenuntergang, pittoresk stehen alte Kirchen unter Palmen. Das wollen die Pilger sehen. Und zwar immer noch in Scharen. Stolz konnte Schwester Ruth vom Pilgerheim in Jerusalem über die komplette Auslastung ihres Hauses berichten. Und wenn auch nur ein Teil der über 500 BesucherInnen im Maternushaus die nächsten Fahrten des Vereins mitmacht, wird es so schnell keinen Leerstand geben.

Der Verein ist katholisch. Seit 1895 versteht sich der Nachfolger des „Vereins vom Heiligen Grabe“ und des „Palästinavereins der Katholiken Deutschlands“ als „Brücke ins Heilige Land“. Erklärte Ziele sind die Verständigung und Versöhnung der Religionen, der Erhalt christlicher Einrichtungen in Israel und Palästina, Hilfe für Notleidende und die Schaffung von „Glaubens- und Erfahrungsräumen“ für deutsche Christen, die das Heilige Land besuchen. Neben regelmäßigen Pilgerfahrten steht die finanzielle und praktische Unterstützung sozialer Projekte im Zentrum der Vereinsarbeit.

Auch von diesen war am Sonntag die Rede. Eine Schule in Jerusalem bildet palästinensische Mädchen christlichen und muslimischen Glaubens aus, der Verein zahlt das Schulgeld für die Kinder, oft Waisen oder Halbwaisen aus den Autonomiegebieten. In einem Pflegeheim in Emmaus kümmern sich deutsche Schwestern, Zivis und Volontäre mit Angestellten um alte und verwirrte Menschen. Bedeutungsschwere Schlagworte wie „interreligiöse Erziehung“, „Dialog“, „Versöhnung“ und natürlich „Frieden“ beherrschten die Kurzvorträge im Maternushaus, bis sich die christliche Reisebörse wie ein Geschäftsbericht von der Wohlfahrtsfront anhörte.

Schön ist es im Heiligen Land. Offene, dialogbereite und undogmatische Katholiken leisten dort Sozialarbeit. Wer will, kann sie besuchen fahren. Und vor Ort darüber nachdenken, warum eine so auf Versöhnung bedachte katholische Kirche bei Toleranzklassikern wie Zölibat, Homosexualität und Frauen im Priesteramt noch immer unversöhnlich reagiert. Holger Möhlmann