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Tokio zu Beginn der Olympischen SpieleAusgesperrte Gastgeber

Außerhalb der Blase mag keine olympische Stimmung aufkommen. Die Coronabeschränkungen für die Bevölkerung passen nicht zum Treiben der Sportler.

Seltene Begeisterung: Zwei Olympiafans in Tokio haben ihr Apartement geschmückt Foto: Lee Jin-man/ap

W arum nur wollen so viele Japanerinnen und Japaner sich einfach nicht mit Olympia in ihrem Land anfreunden, obwohl die Veranstalter beispiellose Abwehrmaßnahmen gegen Corona-Infektionen ergriffen haben? Und warum nur ist IOC-Präsident Thomas Bach so unbeliebt, wie es schon lange kein Deutscher in Japan mehr war?

Nach vielen Gesprächen mit Einheimischen meine ich die zentrale Antwort zu kennen: Der Widerspruch zwischen Pandemielage und Olympiaaustragung ist einfach zu groß. Seit Jahresanfang herrscht in weiten Landesteilen fast ununterbrochen der „staatliche Notstand“, weil die Infektionen nicht enden. Gerade löst die Deltavariante die nächste Welle aus, während erst 23 Prozent der Bevölkerung geimpft sind.

Seit Monaten müssen Bars und Restaurants um 20 Uhr schließen und dürfen keinen Alkohol ausschenken. Die Grenzen sind schon seit April 2020 hermetisch geschlossen. Trotzdem durften nun geschätzte 100.000 Olympiateilnehmer aus über 200 Ländern einreisen. Dieser Widerspruch ließ sich nicht auflösen. Also mussten die Veranstalter die Bevölkerung und die Spiele voneinander trennen, was logischerweise das Zuschauerverbot nach sich zog.

Gekappte Verbindung

Doch mit dem Konzept der „Blase“ wurde die Verbindung zwischen Olympia und Land und Leuten gekappt. Für viele Japanerinnen und Japaner fühlt es sich so an, als ob das IOC ihr Land als Bühne benutzt, um die Spiele auszutragen, damit die Einnahmen aus dem Verkauf der TV-Übertragungsrechte sprudeln. Unter diesen Umständen gilt das japanische Gebot der Gastfreundlichkeit, der Omotenashi, nicht mehr.

Erst recht nicht gegenüber IOC-Chef Bach, der allzu sehr auf den eigenen Vorteil schielt und dabei von einem Fettnäpfchen zum nächsten stolpert. Zum Beispiel verließ er seine „Blase“ für eine nicht notwendige Kranzniederlegung für die Atombombenopfer in Hiroshima und provozierte damit Unmut. Und bei einem Treffen mit Organisationschefin Seiko Hashimoto verwechselte er das „chinesische“ und das „japanische“ Volk, als ob seine Gedanken bereits bei Winterolympia 2022 in Peking wären. Zwar haben sich die Kritiker spätestens mit der Eröffnungszeremonie damit abgefunden, dass die Spiele stattfinden. Aber es wird wenig Toleranz für die nächsten Fehltritte von Bach & Co geben, sei es ein Corona-Massenausbruch im Athletendorf oder ein neuer Lapsus des deutschen IOC-Präsidenten.

Diese Einschätzung schließt nicht aus, dass Medien und Volk über Medaillen und Spitzenleistungen von japanischen Sportlern laut jubeln. Aber der Stolz auf nationale Erfolge wird wenig am Wunsch vieler Japanerinnen und Japaner ändern, dass diese Spiele möglichst schnell vorbeigehen mögen. Die Olympischen Spiele dauern nur zwei Wochen. Während dieser kurzen Zeit wird sich die Stimmung nach meinem Gefühl wohl nicht mehr grundlegend drehen.

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Martin Fritz
Auslandskorrespondent Japan/Südkorea
Volontariat beim NDR. War Hörfunk-Korrespondent in Berlin während der deutschen Einheit. Danach fünf Jahre als Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi. Berichtet seit 2001 aus Tokio über Japan und beide Koreas.
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