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Tokio und Moskau im Clinch

■ Nipon beharrt auf nördliche Territorien / Inseln blockieren den Sowjets den Weg nach Japan / Wird das System von Jalta zerfallen?

Die sowjetisch-japanischen Beziehungen fallen deutlich von den positiven Tendenzen in den internationalen Beziehungen ab. Hauptursache dafür ist die kategorische Forderung der japanischen Regierung an die UdSSR, „vier Inseln abzugeben, die nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges rechtswidrig okkupiert worden.“ Diese immer mehr in ultimativer Form vorgetragene und internationalisierte Forderung blockiert den Weg zum Ausbau der politischen und ökonomischen Zusammenarbeit und lähmt zugleich die auf stellvertretender Außenministerebene angelaufenen Verhandlungen zum Abschluß eines Friedensvertrages UdSSR-Japan. Zugleich muß die SU, um die Wirksamkeit auch ihrer Asienpolitik zu erhöhen, ihre fernöstlichen Wirtschaftszonen in die regionale Arbeitsteilung integrieren. Das aber geht nur mit Japan. Die Frage steht also, wie lange kann sich Moskau noch auf seine Darstellung der Zugehörigkeit der vier Kurilen-Inseln aus den 60er Jahren stützen, wenn es den Zug in das Jahrhundert der asiatisch-pazifischen Region nicht völlig abfahren lassen will.

Offensichtlich ist die Gewichtigkeit dieser Frage erkannt worden. Nicht zufällig ließ der Sprecher im Außenministerium Gennadi Gerassimow in Manila einen Testballon steigen, als er durchblicken ließ, daß bei „internen Diskussionen die Rückgabe einiger südlicher Inseln der Kurilen an Japan erwägt wurde.“ Obwohl Gerassimow mittlerweile seine Aussage zurückgenommen hat, ist es dennoch kein Geheimnis, daß unter führenden sowjetischen Wissenschaftlern und Abgeordneten des Obersten Sowjets ähnliche Konzeptionen an Einfluß gewonnen haben. Bestes Beispiel dafür bietet der von Boris Jelzin bei seinem kürzlichen Japan-Besuch unterbreitete Stufenplan, welcher über Entmilitarisierung, freie Wirtschaftszonen und Friedensvertrag eine Regelung des Problems und endgültige Übergabe der Inseln Kunaschir, Iturup, Habomai und Shikotan an Japan in den nächsten 15 bis 20 Jahren vorsieht.

Anzunehmen ist, daß diese und ähnliche Konzeptionen gegenwärtig gerade im Vorfeld des Schewardnadse-Besuchs in Tokio heiß diskutiert werden, wenngleich sich eine kurzfristige Lösung des Problems nicht abzeichnet. Der Hinweis auf die übermäßige Inanspruchnahme des sowjetischen Außenministers deutet zumindest darauf hin, daß der für März geplante Besuch weiter verschoben werden könnte, solange in dieser Richtung keine Fortschritte erzielt werden.

Für die Sowjets wäre sicher die Übernahme der Deng Xiaoping -Formel im chinesisch-japanischen Territorialstreit um den Senkaku-Archipel, nämlich die „Lösung dieses Streits bis zur nächsten Generation“ aufzuschieben, am bequemsten. Jede andere Lösung käme der japanischen Forderung nahe, die den Druck auf die Sowjetunion erhöhen, das „Jaltaer System“ zerbrechen sehen und die Frage der „Nördlichen Territorien“ auf die Tagesordnung setzen wollen.

U. Kurth

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