Toilettenaffäre: Moralhüter Craig tritt zurück
Der tiefe Sturz des konservativen US-Senatoren Larry Craig: Über Clintons Praktikantin-Affäre hatte er noch selbstgerecht gerichtet. Nun stolpert der Eiferer gegen Schwule über eine Aufforderung zum Sex.
WASHINGTON dpa Für US-Senator Larry Craig war die öffentliche Moral stets Herzenssache. Im Sex-Skandal von Ex-Präsident Bill Clinton ließ er die Nation wissen, was er von Clinton hält: "unanständig, schlecht und hemmungslos". Der gläubige Christ aus dem Bundesstaat Idaho stimmte immer mit Nein, wenn es um eine bessere gesetzliche Stellung von Schwulen und Lesben ging. Mit der Toilettenaffäre hat der 62-Jährige das Kunststück fertiggebracht, innerhalb von nur fünf Tagen vom Moralhüter und einflussreichen Senator aus dem Westen der USA zur politischen Unperson zu werden.
Nach einem anonymen Tipp wurde bekannt, dass der verheiratete Senator Anfang Juni von einem verdeckt arbeitenden Polizisten auf der Herrentoilette auf dem Flughafen von Minneapolis wegen unzüchtigen Verhaltens festgenommen worden war. Craig bestritt zwar die Vorwürfe des Ermittlers, er habe mit in der Szene eindeutigen Zeichen den Wunsch nach sexuellem Kontakt signalisiert, aber bekannte sich schließlich doch vor Gericht schuldig.
Der Senator wurde wegen einer Ordnungswidrigkeit zu einem Jahr Bewährung und 500 Dollar Strafe (367 Euro) verurteilt. "Ich bin nicht schwul, ich mache solche Sachen nicht", sagte Craig dem Ermittler. Er warf dem Polizisten auch vor, er habe ihn in die Falle laufen lassen.
Vor 100 Jahren habe ein Gericht viel mehr als nur das Wippen mit den Fußspitzen als Beweis für ein moralisches Verbrechen verlangt, schreibt die "Washington Post". Und außerdem bleibe noch der wichtige Unterschied zwischen dem Wunsch nach Sex und Sex selbst.
Craig wollte einen öffentlichen Skandal vermeiden und sagte keinem Menschen etwas - weder seiner Frau noch Parteifreunden oder Wählern. Und dann holte ihn der Vorfall mit elf Wochen Verspätung doch noch ein. Nach Hohn und Spott in vielen Medien sowie nach massivem parteiinternen Druck, warf Craig am Samstag entnervt das Handtuch. Er gab seinen Abschied aus dem US-Kongress zum 30. September bekannt.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Toilettenaffäre in den US-Medien selbst die Berichterstattung über den Irak-Krieg in den Schatten gestellt. Tageszeitungen wie die "Washington Post" klärten auf, was man auf einem öffentlichen Herrenklo tunlichst unterlassen sollte, um nicht ins Fadenkreuz eines Ermittlers zu geraten: nicht mit den Fußspitzen wippen, die Füße des Toilettennachbars nicht mit den eigenen berühren und nie die Hand mit Handfläche nach oben unter der Zwischenwand durchstecken. Auffällig ist auch, wer zur Notdurft nicht die erste freiwerdende Toilette ansteuert.
"Die Medien haben ein besonderes Vergnügen, wenn ein konservativer und für Familienwerte eintretender Republikaner in einer Sex-Schlinge gefangen wird. Warum? Weil diese Menschen Heuchler sind und das eine sagen und etwas anderes tun", schreibt Peter Wehner vom Zentrum für Ethik und öffentliche Politik in der konservativen "National Review".
Für den Politiker Craig hätte der Zeitpunkt des Bekanntwerdens nicht schlimmer sein können. Am Montag begehen die USA den Labor Day (Tag der Arbeit). Der Feiertag signalisiert das Ende der Sommerpause und er ist der Startschuss in das Wahljahr 2008. Welcher Republikaner will sich da zu einer Toilettenaffäre äußern? Immerhin müssen die schon wegen anderer Affären gebeutelten Republikaner bei der Wahl 2008 22 Sitze im Senat verteidigen - die Demokraten nur elf.
Als ob Craig unter einer ansteckenden Krankheit leidet, gingen Parteifreunde und führende Republikaner auf Distanz. Das Weiße Haus äußerte sich enttäuscht. Der republikanische Fraktionschef im Senat Mitch McConnell nannte den Vorfall nicht verzeihbar. Während seine Sangesfreunde aus der Gruppe Singing Senators beharrlich schwiegen, forderten andere Senatoren öffentlich den Rücktritt. Im Kongress fackelte seine Partei auch nicht lange und löste ihn als Vorsitzenden von drei Komitees ab.
Im ländlichen Idaho mit seinem großen Anteil an Katholiken und Mormonen, aber auch in anderen konservativen Bundesstaaten, wird anders mit dem Thema Homosexualität umgegangen als in Großstädten wie San Francisco, Los Angeles oder New York. James McGreevey hat als einziger Gouverneur der USA bislang offen seine Homosexualität zugegeben. Er trat 2004 von seinem Amt in New Jersey zurück, nachdem eine außereheliche Beziehung mit einem Mann bekanntgeworden war.
HANS DAHNE
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