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Toiletten-Spender von Beamten kriminalisiert

Charlottenburg. Obwohl der Senat sich dieser Tage selbst um den Erhalt öffentlicher Toiletten bemüht, scheinen im Charlottenburger Kiez provinzielle PolitikerInnen von der Knappheit städtischer Bedürfnisanstalten nichts gehört zu haben. Eine von einem Imbißbudenbesitzer gemietete Toilette ließ das Bezirksamt gestern vom Stuttgarter Platz (S-Bahn -Station Charlottenburg) abtransportieren. Daß das blaue, behindertenfreundliche Klohäuschen nicht nur Kunden, sondern auch Kindern eines Spielplatzes diente, brachte die Schreibtischtäter des Tiefbauamtes nicht in Verlegenheit. Im Gegenteil: Gegen Imbiß-Chef Josef Said, den das Klo einer privaten Service-Firma im Monat 350 DM kostete, wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Er nutze den Bürgersteig „widerrechtlich“.

Die Affäre hat die Bezirksverordnete Gisela Seel (SPD) mit einer Anfrage losgetreten. Offenbar stört sich jemand daran, daß Said vor seiner weißen Holzbude „Pizzaservice Sven I“ provisorisch Tische und Plastikstühle aufgestellt hatte und abends Anwohner und Kunden auf dem öffentlichen Bürgersteig in der Windscheidstraße Fernsehgucken konnten. Sein Laden zwischen S-Bahn-Unterführung und Kinderspielplatz, in dem es Melonen, Eier, Konserven, Wein, Süßigkeiten und Motorenöl gibt, hat der 39jährige außerdem 24 Stunden lang geöffnet. Ob seine Bude Tag und Nacht geöffnet bleiben darf, wird amtlich geprüft, die Stühle mußte Said inzwischen wegnehmen.

In einem Brief an den Polizeipräsidenten, das Gesundheitsamt und die Berliner Stadtreinigung hatte der Libanese schon 1984 um die Aufstellung eines öffentlichen Klos gebeten - vergeblich. Auch eine erneute Bitte im März dieses Jahres blieb erfolglos.

Dirk Wildt

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