: Tönnies’ hegemoniale Fantasien
betr.: „Vereinigte Staaten der Welt“ (Herrschaft der UNO würde sich von einer Pax Americana kaum unterscheiden), taz vom 3. 4. 02
Nun breitet also Sybille Tönnies wieder einmal ihre Fantasien von der Pax Americana in der taz aus. Dazu braucht sie die Behauptung, dass die globale Hegemonie der USA unausweichlich sei. Wieso eigentlich?
Das wirkliche Manko in der Entwicklung nach dem 11. September ist, dass Europa nicht in der Lage oder willens war, eine eigene selbstständige Position einzunehmen und sich den USA bei deren Bestreben, die Situation kaltblütig zur Weiterentwicklung ihrer Hegemonie auszunutzen, untergeordnet hat. Die einzige Lehre daraus muss sein, den Aufbau eines starken Europas beschleunigt und intensiv weiter voranzutreiben. Europa und die übrigen Teile der Welt haben ihre eigenen Werte und Interessen. Sie brauchen sich nicht einer US-Hegemonie unterzuordnen, die nur US-Interessen verfolgt, auch unter dem Deckmantel der Weltpolizei.
[…] Natürlich würde eine UNO-Herrschaft sehr anders aussehen als eine Pax Americana. Natürlich wäre es unsinnig, eine Welt-Verfassung an der US-Verfassung zu orientieren.
Das Plädoyer für die Verwendung der atomaren Baby Nukes und die Ausschaltung aller Kräfte, die mit dem US-Weltpolizisten nicht mitziehen, ist einfach pervers. Die Völker der Welt werden sich eigene Formen des Zusammenlebens suchen, mühsam und unter Opfern, mit Rückschlägen und Fortschritten. Sie brauchen dazu keine Vorlagen aus Washington.
WALTER KIRCHDORFER, Neusäß
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