piwik no script img

Tödlicher Unfall und Berliner PolizeiBlutprobe vorerst gültig

Staatsanwaltschaft wird Blutalkoholtest des beschuldigten Polizisten Peter G. als Beweismittel verwenden. GdP-Sprecher bezweifelt, dass die Gerichte dem folgen.

Mit Blaulicht und 134 Sachen durch die Stadt gefahren Foto: dpa

Im Fall des tödlichen Unfalls, an dem ein 51-jähriger Polizeihauptmeister beteiligt war, sind nach wie vor viele Fragen offen. Immerhin eines hat die Staatsanwaltschaft inzwischen aber geklärt: Die Blutprobe der Ärzte der Charité – sie hatten bei dem Fahrer des Funkwagens 1,1 Promille Alkohol gemessen – kann gerichtlich verwertet werden. Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sagte dazu am Montag auf taz-Nachfrage, er bezweifele, dass die Blutprobe am Ende zum Nachweis der Trunkenheit reiche. Aber auch ohne Trunkenheit: Die Karten für den beschuldigten Beamten stünden schlecht – wegen der hohen Geschwindigkeit, die er gefahren sei.

Bei dem Unfall im Januar 2018 in der Grunerstraße nahe Alexanderplatz war eine 21-jährige Frau ums Leben gekommen. Sie war gerade beim Einparken, als ihr der Funkwagen in die Seite raste. Am Steuer saß der Hauptkommissar Peter G., auf dem Beifahrersitz ein junger Polizeibeamter.

Laut vorläufigem Gutachten, das die Staatsanwaltschaft eingeholt hat, soll G. mit 134 Kilometern durch die Stadt gerast sein. Bei der Kollision seien immer noch mehr als 90 Stundenkilometer gemessen worden, heißt es. Wäre er nur 100 gefahren, hätte der tödliche Unfall wahrscheinlich verhindert werden können, soll es in dem Gutachten heißen. GdP-Sprecher Jendro sagt, es gebe keine gesetzliche Regelung für die Geschwindigkeit bei Blaulichtfahren, aber eine Handlungsempfehlung. Demnach dürfe die Geschwindigkeit maximal 50 Prozent über der jeweils zulässigen liegen. „Er war deutlich zu schnell.“

Der Verdacht, dass G. bei dem Unfall zudem alkoholisiert war, kam erst in der letzten Woche auf. Am Unfallort selbst war kein Alkoholtest durchgeführt worden. Das war erst in der Charité erfolgt, in die G. nach dem Unfall mit einem Krankenwagen transportiert worden war. Durch einen anonymen Hinweis hatte die Staatsanwaltschaft erst kürzlich Kenntnis von der Existenz der Blutprobe, bei der 1,1 Promille gemessen wurden, erhalten. G. sieht somit nicht nur einem Verfahren wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung entgegen, sondern auch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.

Aber nicht nur gegen G. wird dem Vernehmen nach ermittelt. Der Staatsanwaltschaft lägen mehrere Anzeigen gegen unbekannt wegen Verdachts der Strafvereitelung vor, erfuhr die taz. Es sei aber zu früh, um zu sagen, ob da etwas dran sei. Allein aus der Tatsache an sich, dass bei G. am Unfallort keine Alkoholkontrolle durchgeführt wurde, lasse sich aber keine Vertuschungsabsicht ablesen, sagte Polizeisprecher Thilo Cablitz. Es gebe keine pauschale Anordnung für so eine Kontrolle. Ermächtigungsgrundlage sei, dass ein Anfangsverdacht bestehen müsse.

Dem Vernehmen nach ist der Beschuldigte, der der Gothic-Szene angehört, sehr aktiv in den sozialen Medien war und sich mit einer an die Schläfe gerichteten Pistole ablichten ließ, krankgeschrieben. Die Sprache, die G. in seinem eigenen Blog benutzte, hat rechtsgerichtete, menschenverachtende Anklänge. Seine Dienstauffassung ist offenbar die, dass „Wir“, die Polizei, tagtäglich „unseren verdammten Arsch hinhalten“. Aber er sei verdammt froh, dass die Polizeifamilie funktioniere, schrieb G. Der Eintrag eine Woche nach dem Unfall vorgenommen, wirft die Frage auf: Haben Kollegen absichtlich weggeschaut?

Wegen des Unfalls läuft gegen G. ein Disziplinarverfahren, es ruht aber bis zum Ausgang des Strafverfahrens. Ob G. vom Dienst zu suspendieren sei, werde aber auch unabhängig davon geprüft, sagte Cablitz. Er begründete das mit dem möglicherweise disziplinarrechtlich relevanten Inhalt von Gs. Posts und Tweets.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Grundsätzlich gilt die bewährte alte Regel:



    Paragraph 1: Ein Polizist ist nie an irgendwas schuld.



    Paragraph 2: Sollte einmal der Polizist doch schuldig sein, tritt automatisch Paragraph 1 in Kraft.



    Ich hatte ein beispielhaftes Erlebnis.



    Die Polizeibeschwerdestelle - na, welch ein Zufall - ist bei der Polizei selbst angesiedelt. Der Befund der Beschwerdestelle: Der Polizeiobermeister M. sagt, daß der Polizeiobermeister H. die Wahrheit gesagt hat. Super. Käme in keinem normalen Gericht durch.



    Gottseidank hat mein Anwalt bewiesen, daß die beiden Burschen vergessen hatten, ihr Vorgehen (mich in einem Krankenhaus abzuliefern) ohne meine Erlaubnis gemacht haben. Die Kosten von 600 € trug die Stadt München.

    • @91672 (Profil gelöscht):

      "Käme in keinem normalen Gericht durch."



      Doch doch!



      Zitat Jugendrichter in der Begründung einer Verurteilung auf Grundlage einer einzigen Aussage eines Polizisten:



      "Sie haben zwar drei Zeugenaussagen für Ihre Version, aber der Polizeibeamte wird nicht die Unwahrheit sagen, weil er sonst seine Pensionsansprüche verlieren würde."