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Tödliche Souvenirs

■ Altbekannte Krankheiten und Seuchen tauchen wieder auf

Seuchen, die zumindest in den Industrieländern schon lange bezwungen zu sein schienen, kehren in der Folge von Fernreisen und Massentourismus zurück. „Wir haben eine Welt – das gilt auch für Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten“, sagte Helga Rübsamen-Waigmann, Virologie-Professorin und Instituts-Leiterin der Bayer AG, auf dem Hamburger Kongreß der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte.

Zusätzlich zu den altbekannten Infektionskrankheiten sind neue Leiden aufgetaucht, die durch den internationalen Verkehr in wenigen Jahren über den ganzen Globus verbreitet werden – wie etwa AIDS oder die Lyme-Krankheit, die zunächst nur in den USA auftrat. Die Lyme-Disease wird von Bakterien des Typs Borrelia burgdorferi ausgelöst und durch Zecken übertragen. Sie ist aber nicht identisch mit der Zecken-Borreliose, die in Süd-Europa schon seit einigen Jahren gehäuft auftritt.

Neben dem Tourismus verstärkt auch die Wohnsituation in Ballungs-zentren das Ausbreiten der Krankheitserreger. Überfüllte Wohnquartiere und unhygienische Bedingungen seien Nährböden für Bakterien und Viren, so Rübsamen-Waigmann: „Wir haben Megastädte, in denen die Menschen extrem eng zusammenleben.“

Insbesondere die Tuberkulose, die bis Anfang diesen Jahrhunderts auch in Westeuropa und den Vereinigten Staaten von Amerika die Haupttodesursache war, breitet sich etwa in New York durch Armut, Drogenmißbrauch und Obdachlosigkeit mit unerwarteter Heftigkeit wieder aus. Da die Betroffenen eine monatelange Therapie mit verschiedenen Medikamenten oft nicht durchhalten, werden zudem resistente Tuberkel-Bazillen gezüchtet, die auf keine bekannte Arznei mehr ansprechen.

Mit weltweit 2,9 Millionen Todesfällen pro Jahr – vor allem in Ländern der Dritten Welt – ist die Tuberkulose die Infektionskrankheit mit den meisten Opfern. Eine zweite, oft unterschätzte Gefahr ist die Malaria, an der pro Jahr auf der Welt ein bis zwei Millionen Menschen sterben. Im Urlaub haben sich im vergangenen Jahr auch 730 Deutsche infiziert, viermal so viele wie 1975.

Die Cholera, die in Elendsvierteln und Flüchtlingslagern einen idealen Nährboden findet, taucht ebenfalls wieder in Ländern auf, die nicht zur Dritten Welt zählen – zum Beispiel in der Türkei und auf der Krim.

Sorgen bereiten darüber hinaus neu beobachtete Krankheitserreger, die in Europa noch nicht registriert werden konnten, aber in Zukunft gefährlich werden könnten. Hierzu zählt das Hantaan-Virus, Auslöser einer Erkrankung, die neben Nierenversagen akute Atemnot zur Folge haben kann.

Zur Kontrolle der Infektionskrankheiten sei ein globales Beobachtungsnetz nötig, meint Rübsamen-Waigmann. „Das moderne Zeitalter bescherte uns einerseits durch Flugzeuge und Massentourismus erstmalig in der Geschichte ganz neue Ausbreitungsmöglichkeiten der Infektionskrankheiten. Es stellt auf der anderen Seite aber auch die Mittel bereit, die Ausbreitung zu erkennen.“ lno/taz

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