: Todesurteil Modetrend
„Die schönsten Dinge des Lebens“, so wirbt eines der erfolgreichsten Mode- und Lifestyle-Unternehmen in Deutschland. Doch das Sortiment des Stuttgarter Traditionshauses Breuninger umfasst nicht nur „Dinge“, sondern auch Reste von toten Tieren: vor allem Pelze von Marderhunden, die als fragwürdige Mode-Accessoires über die Ladentheke gehen
von Peter Freytag
Eine Kleinstadt nördlich von Peking. Hier besucht Manfred Karremann im Dezember 2012 einen Markt, auf dem Bauern täglich bis zu 1.000 Tiere feil bieten. Viele Füchse, vor allem aber putzige Marderhunde, bilden die lebende Ware. Der Winter ist die Zeit, in der gepelzt wird, wie das Töten und Abziehen im Fachjargon heißt. Mit der Kamera beobachtet der Dokumentarfilmer, wie die Tiere nach einem elenden Leben in kleinem Käfig verschachert werden. Als Käufer treten Händler von chinesischen Pelzfabriken auf. Sie sind auf der Suche nach Fellen für die Wintersaison 2013/14. Die Pelze enden als Kragenbesatz an Mänteln und Parkas. „Wenn man sich über den Preis geeinigt hat, werden die Marderhunde mit einer Metallstange erschlagen“, schildert er seine Beobachtung. Auf Wunsch wird den Tieren an Ort und Stelle das Fell abgezogen, oft noch bei lebendigem Leib. Was als Ausschuss betrachtet wird, landet im Straßengraben. Diese Szenen grausamster Tierquälerei zeigte vor kurzem die ZDF-Dokureihe „37 Grad“.
„Wir wissen nicht, woher der Pelz kommt“
Zeit- und Ortswechsel: Stuttgart, im Dezember 2013. Weihnachtlich präsentiert sich der Marktplatz. Gegenüber dem Rathaus dominiert der „Breuninger“ die Kulisse. Im Jahr 1881 eröffnete der Backnanger Unternehmer Eduard Breuninger hier ein Einzelhandelshaus, und legte damit den Grundstein für eines der erfolgreichsten Mode- und Lifestyle-Unternehmen Deutschlands. „5.000 Mitarbeiter. 11 Häuser. Eine Leidenschaft“, beschreibt sich der Warenhaus-Konzern in Besitz dreier Familien selbst. Der Umsatz der Kette mit Häusern unter anderem in Düsseldorf, Nürnberg und Leipzig stieg 2012 auf 516,1 Millionen Euro. Mit 35.000 Quadratmeter Verkaufsfläche zählt das Stuttgarter Stammhaus zu den größten Warenhäusern der Republik.
Der chinesische Pelztiermarkt ist zehn Flugstunden entfernt. Doch Felle von Marderhunden finden sich auch im Breuninger-Stammhaus. Damen-Abteilung, dritter Stock: hier verkauft das Unternehmen seine Eigenmarke Suzanna. Die Fellbesätze an den Kapuzen vieler Mäntel und Westen fallen ins Auge. Es sind Echtpelze, wie ein Etikett im Innenfutter bestätigt. Seit 2011 ist dieser Hinweis gesetzlich vorgeschrieben. Mehr, etwa über Tierart oder Herkunft, erfährt der Verbraucher meist nicht. So auch nicht bei den Daunenwesten (Preis 179,99 €) und Daunenmäntel (Preis 249,99 €) von Suzanna. Ein weiteres Etikett „Made in China“ verrät das Herstellungsland. „Wir wissen nicht, woher der Pelz kommt“, antwortet eine Breuninger-Verkäuferin einer Kontext-Testkundin, die sich nach Herkunft der Felle erkundigt.
Das gleiche Bild ein Stockwerk höher in der Exquisite-Abteilung, wo teure Modelabels ihre Winterkollektionen der betuchten Kundschaft präsentieren. Auch hier quellen die Kleiderständer über mit Mänteln mit Echtpelz-Krägen. „Der Pelz kommt aus Europa“, versichert die Verkäuferin der Testkundin, die sich für einen Daunenmantel von Boss Orange, der Modelinie des Metzinger Luxuskonzerns Hugo Boss, interessiert. Woher sie das bei dem Kleidungsstück, Preis 499 Euro, auf Anhieb weiß, verrät die Angestellte auf weiteres Nachfragen. „Wir werden vom Hersteller geschult, auch auf Materialeigenschaften.“
Alles in Ordnung also? Nein, sagen Tierschutzorganisationen wie Peta und laufen Sturm gegen den Pelztrend in der Modebranche. Die französische Schauspielerin Brigitte Bardot hatte erreicht, dass das grausame Abschlachten von Robbenbabys für Pelzmode heute gesellschaftlich geächtet ist. Auch ein Film von Manfred Karremann über den Handel mit Hunde- und Katzenfellen wirkte. Nach einer weltweiten Protestwelle verabschiedeten die USA, Australien und die EU ein Handelsverbot.
Trotzdem setzen Designer und Modefirmen wieder auf Pelz. Im Fokus diesmal Nerze, Blaufüchse und Marderhunde. „Einen Vollpelzmantel trägt kaum noch jemand“, bestätigt Karremann. Der Bedarf an billigen Pelzen für Besätze steigt jedoch rasant, was sich auch in der Zuchtnation China widerspiegelt: der Bestand an Pelztieren ist dort in wenigen Jahren von 55 Millionen auf 70 Millionen Tiere gewachsen, so Schätzungen. „Die Zahl der Zuchtfarmen steigt jährlich um ein Drittel“, so Karremann.
Es ist ein unsinniger Boom. „ Kragenbesätze aus Echtfell besitzen keine wärmende Funktion“, sagen Tierschützer. Tatsächlich gibt es schon lang Alternativen. Funktionsfasern wärmen sogar besser als natürliche Felle. Wie Hugo Boss betonen viele Hersteller, nur Felle von europäischen oder amerikanischen Zuchtfarmen zu verarbeiten. „Es ist egal, ob in Skandinavien oder China getötet wird. Die Tiere verlieren ihr Leben wegen eines modischen Accessoires“, sagt Karremann.
Solche Gedanken macht sich die Kundschaft nicht. „Die Kunden stellen keine Fragen zum Pelzbesatz. Sie wollen nur wissen, ob das Kleidungsstück „handmade“ ist“, erzählt eine Verkäuferin - und gibt offen zu, dass sie diese modische Vorlieben nicht teilt. „Ich habe eine Katze und würde sie mir nie um den Hals hängen.“
Der Gesetzgeber schaut dem pelzigen Modetrend, der im Weihnachtsgeschäft 2013 neue Rekorde setzt, zu. Im Frühjahr 2013 verabschiedete der Bundestag ein neues Tierschutzgesetz, das den im Grundgesetz festgeschriebenen Schutz der Tiere verbessern soll. Doch zur Pelztierzucht findet sich darin kein Wort. Bei Vorstellung des Gesetzentwurfs der damaligen Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) übten die Länder noch Kritik. Der Agrarausschuss des Bundesrats empfahl, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Es sollte auch ein Verbot der Pelztierhaltung im Gesetz verankert werden. Pelze seien Luxusgüter und nicht zur „Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse des Menschen“ notwendig. Es gebe „hinreichend preiswertere Alternativen, sich wirksam gegen Kälte zu schützen“, so die Begründung. Doch dafür fand sich keine Mehrheit, der Bundesrat ließ das Gesetz unverändert passieren.
Versprochen: Standards sollen eingehalten werden
Kontext hat das Mode-Unternehmen Breuninger um Stellungnahme gebeten, warum es Echtpelze verkauft und ob es Tierquälerei ausschließen kann. Eine Antwort kam erst nach Wochen und auf mehrfache Nachfrage. Sie fiel nichtssagend aus. Demnach ist dem Unternehmen „die ethisch und moralisch korrekte Herstellung ein sehr großes Anliegen“. Breuninger lege viel Wert auf transparente Fertigungsprozesse und verfolge diese in engem Austausch mit den Produzenten nachdrücklich. „Dazu gehört die konstante Überwachung und Prüfung der gesamten Lieferkette sowie die Verabschiedung verbindlicher Standards, wie zum Beispiel gerechte Entlohnung oder Vermeidung von Kinderarbeit“, versichert Breuninger-Sprecher Christian Witt. Andere Unternehmen sind schon weiter. Laut Peta haben zahlreiche Kauf- und Modehäuser den Pelzverkauf eingestellt, darunter H & M, Zara, Peek & Cloppenburg, Escada und Hallhuber. Internationale Top-Designer wie Stella McCartney, Calvin Klein oder Tommy Hilfiger lehnen Pelz ab. Gegenüber Kontext hat Breuninger ein Versprechen abgegeben. Man würde „die Zusammenarbeit mit allen Lieferanten beenden, die entgegen der verabschiedeten ethischen und moralischen Standards handeln“.