■ Tip: Höllenlärm, wohlstrukturiert
Radio Inferno. Hörspiel in 34 Gesängen von Andreas Ammer und FM Einheit, 22.05, Bayern 2
Ihr, die Ihr eingeschaltet, laßt alle Hoffnung fahren. Denn die Hölle ist ein Hörspiel von Andreas Ammer und FM Einheit. Und eine Radiosendung, moderiert von John Peel. Und eine Oper, in der neben Ammer und Einheit, dem sog. Klangtüftler, auch Caspar Brötzmann, der sog. Gitarrenterrorist, für wohlstrukturierten Lärm sorgt.
Aber zuerst war die Hölle ein Buch von Dante, La Divina Commedia gesprochen im italienischen Original von Enzo Minarelli. Und in der dreifachen Rolle von Dantes Augen, Hirn und Mund durchmißt Blixa Bargeld mit seinem Führer Vergil (Phil Minton, englisch sprechend) die neun Kreise der Hölle. Begleitet von Yvonne Ducksworth, die Beatrice und die Gestalten der Hölle spricht.
Im ersten Höllenkreis, dem Limbus, in dem die ungetauften Kinder und gerechten Heiden ohne Qual, aber auch ohne Hoffnung leben, trifft Dante alias Blixa auf James Joyce, den letzten Dichter und John „Orpheus“ Cage, den letzten Musikanten, sowie Marcel Duchamp, den letzten Maler, der die Kunst aufgegeben hatte, lange bevor das Leben ihn aufgab. Sie alle sind in Interview-Fetzen und Samples in Ammers Hörspiel aufgehoben. Der weitere Gang vorbei an Wollüstigen, Schlemmern und Geizigen kulminiert im siebten Kreis der Hölle mit Mördern, die im kochenden Blut stehen. Es folgt John Peel mit der Hitparade, ein „Countdown of Sin and Punishment“. Kuppler und Verführer, Dirnen und Schmeichler, Weissager und Zauberer, Betrüger in öffentlichen Ämtern umschließen in zehn Verbrechergruben den innersten Kreis der Hölle, in dem der dreigesichtige Satan in einen Eissee eingefroren ist.
„Aber mein war die Rache und das Radio so, wie ihr euch berauscht an den Sündigern.“ Radio Inferno geht heute abend erstmals auf Sendung. Für die, die nicht in Bayern und drumherum wohnen, gibt's das Radio-Inferno auch auf CD, „das Medium ist das Messer, die message ist null eins“. Wie sagt Vergil: „It's vulgar to enjoy that kind of thing.“ Jochen Meißner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen