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■ TipSüßes Gold

„Vom Zucker und anderen Bitterkeiten“; So, 23.05 Uhr, West 3

Es beginnt wie ein Erlebnisbericht vom Abenteuer Regenwald – und endet als offene Anklage an die Adresse der Regierungen der Industrieländer sowie an die Konzerne, deren Geschäfte sie decken: die Zucker, Kakao, Kaffee und Baumwolle verarbeitende Industrie, die sich auf Kosten der Pflanzer und Pflücker in den tropischen Billigstlohnländern bereichert. Dazwischen macht Autor Werner Biermann an den verschiedenen Rohstoffen und deren Geschichte schlaglichtartig fest, wie konsequent und brutal besonders in Lateinamerika die Ausbeutung von Land und Leuten (Ureinwohnern wie importierten Sklaven) von Anfang an betrieben wurde und bis heute anhält. „Der Hunger ist Regierungspolitik“, sagt Biermann.

Das Thema ist nicht neu, nicht einmal die Bilder sind es. Biermann hatte sie vorher in einer achtteiligen „Rückblende“-Reihe bereits verwendet. Neu ist die Dramaturgie, die die Einzelaspekte zu einem Gesamtkomplex faßt, aus dem sich ein weltumfassendes Unterdrückungssystem erschließt. Das führt dazu, daß der Bericht, so informativ er ist, die Zuschauer – und nicht nur Verschwörungsparanoiker – sprach- und hilflos zurückläßt, wie der Autor selbst zugibt.

Sobald eine Frucht Gewinn brachte, wurde das ganze Land auf Monokultur umgestellt: Barbados wurde die Zuckerinsel, Kolumbien das Kaffeeland, die US-Südstaaten ein einziges Baumwollfeld. Ebenso wurde und wird mit Kakao, Tabak oder Kartoffeln verfahren. Vor zwei- bis dreihundert Jahren nämlich waren diese Kolonialwaren, vor allem Zucker und Schokolade, Luxusartikel, mit denen sich nur die reichsten europäischen Adligen verwöhnen konnten. Welches Ausmaß die Willkür der Herrschenden über die Arbeitenden heute hat, verdeutlicht eine Sequenz, die Biermann bereits 1980/81 gedreht hat, in einem guatemaltekischen Dorf, das für den Geschmack der Regierung ein wenig zu eigenständig war. Zwei Monate später wurden Biermanns Gesprächspartner und hundert weitere Bewohner vom Militär erschossen, das ein ganzes Jahr lang in dem Dorf wütete. Wie gesagt, was soll man da noch sagen. Oliver Rahayel

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