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■ TipDer Patriarch

„Des Schillers General: Boleslaw Barlog“, 22.15 Uhr, B1

„Ich mußte mein eigener Direktor werden, weil mir niemand eine Regie gab“, bekennt Boleslaw Barlog freimütig in dem 45minütigen Fernsehportrait von Johannes Eglau. Der heute 88jährige, einst einflußreiche Theatermann hat mit dieser Strategie nicht nur sich selbst, sondern auch viele Schauspieler und Regisseure gefeatured. Die Knef spielte bei ihm, und er ließ auch andere, bessere Regisseure an seinen Theatern inszenieren: Kortner, Piscator und Fehling. Ab 1945 leitete er das Schloßparktheater in Berlin-Steglitz, 1951 erhielt er dann das Schiller Theater hinzu und war zwanzig Jahre lang Generaldirektor der Westberliner Schauspielbühnen.

Archivaufnahmen wechseln mit Auszügen aus einer Reihe von Interviews ab, die Johannes Eglau vor kurzem mit Barlog geführt hat – Rückblick auf eine Theaterepoche, wo zwar der Intendant wie ein Familienpatriarch herrschte, jedoch das Ensemble noch als solches funktionierte. Barlogs Spezialität waren Komödien (während des Kriegs hatte er beim Film gearbeitet), aber er inszenierte – oder ließ – auch Beckett, Peter Weiss, Brecht (den man auf Weisung des damaligen Kultursenators bis 1958 nicht spielen durfte!) inszenieren. In den späten 60ern galt sein Regiestil plötzlich als „altväterlich“, auch auf das geforderte politische Theater konnte und wollte sich Barlog nicht einlassen.

1972 ging der „General“ 1972 in Pension. Heute sind auch seine beiden Theater geschlossen, und Barlogs „Kodderschnauze“ läßt wenig Schmeichelhaftes über den heutigen Kultursenator Gesamtberlins vernehmen. „Unsere Theater stehen geschlossen hinter uns“, schrieb er sarkastisch auf eine jener Barlog-Postkarten, die er heute noch an Freunde verschickt.

Das Portrait von Johannes Eglau, erstmals in Zusammenarbeit von der sehr rührigen Theaterredaktion des ZDF/3sat und dem SFB koproduziert, enthält amüsante Details und präsentiert mit Barlog einen Mann, der sich sowohl vor wie hinter sein Ensemble stellen konnte. Ein Plädoyer also für mehr Ensemblegeist und weniger Starallüren der Theaterleute, jedoch keine Antwort auf eine Theaterkrise heute.Sabine Seifert

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