piwik no script img

Times Art Center BerlinIn der Nähe von Archiven sprechen: „Neither Black/Red/Yellow – Nor Woman“

In den 70ern schreibt Mai Ling ihrer Schwester in Korea vom Alltagsrassismus in Wien. Nein, ging der Brief nicht eigentlich an ihre beste Freundin und sie hat längst Kinder, die sie in Thailand zurücklassen musste? Die auf Acrylglas gedruckten und aus dem Off gesprochenen Briefe sind Teil der Arbeit „In die Leere Sprechen (Speaking in Vain“ (2019) des Kollektivs Mai Ling: So einfach lässt sich hier nicht auf Erfahrungen zugreifen, es bietet sich keine Folie für konsumierbare Geständnisse aus marginalisierten Positionen, wie die Kunstrezeption es sich von Künstler_innen of Color so gerne wünscht. Die Projektreihe „Wer ist Mai Ling?“ verunmöglicht eben jenen Universalismus, den die Filmemacherin und Literaturwissenschaftlerin Trinh T. Minh-ha in ihrer Kritik der Westlichen Anthropologie dekonstruierte. In ihrer Methodologie kann man vielleicht „in der Nähe von“ anderen sprechen, über sie jedoch nicht. Trinh ist neben Theresa Hak Kyung Cha (1951–1982) und Pan Yuliang (1895–1977) eine von drei Künstlerinnen, deren imaginierte Begegnung Nikita Yingqian Cai und Xiaoyu Weng als Ausgangspunkt für die Gruppenausstellung „Neither Black/Red/Yellow – Nor Woman“ diente. Die hier versammelten Arbeiten vollziehen Ort- und Zeitsprünge durch post-/koloniale Konstellationen, Archive des Zweiten Weltkriegs und kunsthistorische Kanons. So schreibt Jane Jin Kaisen mit ihrem Plakat „Shades of Red“ eine etymologisch-politische Poesie der Farbe Rot. Sylbee Kims Videoarbeit „The Red Liquid and Narcissus“ (2017) interpretiert den Narziss-Mythos nicht wie Alberti als Ursprung der Malerei, sondern nagt sich durch Fleisch und Knochen auf die andere Seite des Todes. Und auch Trinhs experimenteller Film „Night Passage“ (2004) über eine freundschaftliche Fahrt im Nachtzug imaginiert das Land der „Erwachten Träume“ als spiegelndes Spiel aus/auf rotem Licht. (nym)

Bis 4. 1., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Brunnenstr. 9

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen