Tim Caspar Boehme hört auf den Sound der Stadt:
Großbritannien mag derzeit auf der politischen Bühne keine allzu gute Figur machen, selbst wenn sich die Zeichen mehren, dass uns der Brexit womöglich doch bis auf Weiteres erspart bleiben könnte. Was die klassischen Tugenden angeht, steht das Land ganz gut da. Insbesondere kann es sich nach wie vor als kingdom of pop behaupten. Zu den jüngsten Belegen zählt die Musikerin Nilüfer Yanya, die zwischen Indie-Rock und Synthie-Pop eine beachtliche Bandbreite an Stilmitteln aus dem Handgelenk schüttelt, und das stets überzeugend. Ihr soeben erschienenes Debütalbum heißt denn auch passend „Miss Universe“. Sich selbst überzeugen kann man mit ein wenig Glück am Donnerstag in der Kantine am Berghain, sofern es an der Kasse doch noch Karten geben sollte (Rüdersdorfer Str. 70, 20 Uhr).
Karfreitag aber gibt es dafür noch Karten für ein saisongerechtes Konzert in der Gethsemanekirche. Die Sing-Akademie zu Berlin, der Staats- und Domchor und die Kammersymphonie Berlin unter Leitung von Kai-Uwe Jirka bieten ein Programm mit österlicher Vokalmusik von der Gregorianik bis hin zu einer Uraufführung, auch wenn Letztere, die Markuspassion des seit 1980 in Prenzlauer Berg wirkenden Komponisten Christfried Schmidt, aus dem Jahr 1975 stammt. Von J. S. Bach kommt diesmal kein Chorwerk zum Einsatz, dafür ein Stück aus seinem „Musikalischen Opfer“. Das passt ja auch irgendwie (Stargarder Straße 77, 20 Uhr, 17,50 €).
Für Sonnabend könnte man sich einen Ausflug ins WestGermany vornehmen. Das wirbt schon mal mit dem sehr einnehmenden Titel „Ich hör dauernd Hühner“. Neben dadaistischem Wortwitz erwarten einen zudem erlesene Vertreter aus dem Berliner Improvisationsspektrum der Echtzeitmusik, als da wären Minor Tom, das Duo des Posaunisten Hilary Jeffery und des Vokalisten Gianpaolo Peres, der Extremperformancekünstler Joke Lanz oder Vertigo Transport, bestehend aus der Elektronik-Manipulatorin Marta Zapparoli und dem Perkussionisten Burkhard Beins (Skalitzer Str. 133, 21 Uhr).
Persönlicher Höhepunkt – schließlich sind dies ja persönliche Empfehlungen – dürfte am Mittwoch das seltene Gastspiel des italienischen Komponisten und Perkussionisten Lino Capra Vaccina im Roten Salon der Volksbühne werden. In den siebziger Jahren war er Mitgründer der ethnisch informierten Fusion-Improvisationsband Aktuala, mit seinem Album „Antico Adagio“ von 1978 schuf er einen europäischen Minimalismus-Klassiker. In dessen Geist dürfte er den Abend mit Vibrafon und Gongs gestalten (Rosa-Luxemburg-Platz, 21 Uhr, 12 €).
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